Eine frische Lieferung Pulverrap von Pusha T, das lang erwartete neue Album von Kendrick Lamar und Mid-Life-Crisis-Metal aus dem Hause Rammstein: Das ist neue Musik für den Juni 2022.
ALBUM DES MONATS
Pusha T – It’s Almost Dry
Pusha T redet auf jedem seiner Alben häufig und gerne über Kokain. Je eher wir das alle akzeptieren, desto besser. Dabei beschränkt er sich nicht auf ausgelutschte Verkaufsgespräche, sondern verpackt auch die alltäglichen Probleme eines 44-jährigen Vaters in Pulver-Metaphern. Familiär hält der Mann aus Virginia es auch in Sachen Beats: Für die musikalische Untermalung sorgen arbeitsteilig ein alter Jugendfreund und ein späterer Förderer seiner Solokarriere. Die hören zufällig auf die Namen Pharrell Williams und Kanye West. Und wenn zum Schluss sogar Pushas Bruder No Malice aus dem Teil-Ruhestand für einen Gastverse vorbeischaut, ist die traute Clipse-Reunion perfekt. Da wird einem richtig warm ums Herz.
Bewertung: ★★★★★
Kendrick Lamar – Mr. Morale & The Big Steppers
18 Tracks und 80 Minuten Laufdauer, früher nannte man sowas „reguläre Spielzeit“. Bei Kendrick Lamar wird das heute als Doppel-LP releast – aber na gut, Pulitzerpreisträger dürfen das. Und dass der Ausnahmekünstler nicht nur dank jener Auszeichnung einen Ruf zu pflegen hat, das merkt man seinem neuesten Werk an. Gemeinsam mit Schauspielerin Taylour Paige führt Kendrick auf „We Cry Together“ ein bühnenreifes Beziehungsdrama inklusive Versöhnungssex auf. „Father Time“ appelliert an Männer, die Frauen im Familienleben zu entlasten und die Vaterrolle neu zu denken. Und „Auntie Diaries“ erzählt aus der Neffen-Perspektive von einer Tante, die sich jetzt als Mann identifiziert. Die experimentelle Produktion zwischen Free Jazz, Pianosolo und Hip Hop, tut ihr Übriges, damit „Mr. Morale & The Big Steppers“ wie fürs Museum gemacht wirkt. Das heißt: Kein Album für pausenloses Rauf-und-runter-Hören. Bei Gelegenheit überzeugt man sich aber davon, ob es immer noch absolut großartig ist. Und das wird es wahrscheinlich sein.
Bewertung: ★★★★☆
Rammstein – Zeit
Drei Jahre seit der letzten Platte, das ist für Rammstein-Verhältnisse ja beinahe übermäßige Produktivität. Ähnlich wie bei dem kurzen Abstand zwischen „Reise, Reise“ und „Rosenrot“ wirkt „Zeit“ dabei wie eine Leftover-Sammlung seines unbetitelten Vorgängers von 2019. Im Gegensatz zu diesem fehlt dem neuesten Streich der Berliner allerdings sowohl die geschmackssicher inszenierte Kontroverse als auch, ganz schlicht, die Power. „Tanzmetall“ haben Rammstein ihren Sound in den Neunzigern mal getauft. Heute klingen sie hingegen beinahe nach einer etwas brachialeren Version von Santiano. Gut, mit dem Alter kann man natürlich etwas ruhiger werden. Aber vielleicht brauchen Till Lindemann und Co. einfach nur ihr gutes Jahrzehnt, um Welt- oder zumindest Deutschlandbewegendes abzuliefern.
Bewertung: ★★☆☆☆
Text: Florian Deckert
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