„Im Großen und Ganzen habe ich schon ein gutes Leben“

Kevin Lee Gill (Heilbronn) über Rassismus
Von Kevin Lee Gill

Mein Name ist Kevin Lee Gill. Ich arbeite als stellvertretender Abteilungsleiter in einem Modehaus. Ich bin am 04.05.84 in Oedheim geboren, einem ca 2000-Einwohner-Dorf. Natürlich hab ich nie den Rassismus erleben müssen wie meine Verwandten in den USA, aber es gab Anzeichen dafür. Es hat mich damals nicht sonderlich gestört oder besser gesagt habe ich es nicht als solchen wahrgenommen.


Aber beim Spielen von „Wer hat Angst vor dem „schwarzen Mann““ musste ich meistens anfangen als der böse Fänger oder wurde auf dem Heimweg angespuckt und getreten von Älteren. Auch dass ich am wenigsten auf Geburtstage eingeladen war… aber als Kind vergisst man oder denkt gar nicht an Rassismus. Als wir nach NSU gezogen sind mit 12 hatte ich auf einmal Freunde, die auch Mischlinge waren. Wir haben Basketball gespielt und alles war okay, ich war ja ein kein Exot mehr. Dann mit 18 Jahren hatte ich eine Beziehung, da ist der Vater meiner Freundin nicht mal ins gleiche Zimmer, wenn ich da war. Er konnte es nicht akzeptieren, dass seine Tochter mit einem Farbigen zusammen ist. Das war das erste Mal, dass ich es offensichtlich wahrgenommen hab und auch verstanden, dass es nur wegen meiner Hautfarbe ist. Natürlich hielt die Beziehung nicht lange. Das war aber auch das einzige Mal, dass sowas vorkam.

Mit 18-20 hatte ich eine Phase, wo ich nur mit anderen Mischlingen, Farbigen (Bros) unterwegs war, da ist mir aufgefallen das ich noch nie so oft von der Polizei kontrolliert worden bin. Prinzipiell hab ich kein großes Problem damit, aber immer mit der Frage „Haben Sie schon mit Drogen“ zu tun gehabt? Antwort: NEIN. Dann kommt gleich „Sind sie sicher?“ Nur weil ich farbig bin und tätowiert? Also pass ich in das Klischee.

Als ich im Osten, in Nordhausen meine damalige Freundin besucht habe, als sie dort studiert hat, da hat man es richtig gespürt, was für eine Abneigung einem Farbigen entgegen kommt. Nicht nur, dass man provokativ mit seinen Pitbulls den ganzen Gehweg beansprucht, so dass ich die Straßenseite gewechselt habe oder tatsächlich im McDonald‘s dumm angemacht wurde, obwohl ich offensichtlich mit Schwaben-Akzent spreche. Der Höhepunkt aber war auf dem Fan-Dorf, als Boateng ein Tor schoss und keiner gejubelt hat, weil ein Farbiger für Deutschland spielt.

Im Großen und Ganzen habe ich schon ein gutes Leben. Es kam auch ein Zeitpunkt, wo es cool war, ein Mischling zu sein. In den Clubs beim Tanzen und so weiter. Durch meinen Beruf hab ich viel Kontakt zu Menschen in verschiedenen beruflichen Stellungen und ich muss sagen: Ich liebe die Heilbronner. In meinem Beruf hab ich selbst nie wirklich Rassismus erlebt, ich liebe meine Kunden und das beruht auf Gegenseitigkeit. Ich werde zu Grillabenden oder zum Essen eingeladen, manche wünschen sich mich auch als Schwiegersohn ?

Im Großen und Ganzen bin ich mit meinem Leben glücklich, aber wie gesagt: Man kann es nicht mit Amerika vergleichen, wo es bis heute systematisch Rassismus gibt, ob nun durch Politik oder Polizei Gewalt ausgeübt wird. Die Menschen müssen aufhören, auf Religion und Hautfarbe zu achten und anfangen, auf die inneren Werte zu achten.


Black Lives Matter

„BLACK IS BEAUTIFUL“ von Busola Oyenubi

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