Warum Bildungsgerechtigkeit Ausnahme statt Regel ist
„Du schaffst das nicht“, ist einer der Sätze, die mich aus meiner Schulzeit am meisten geprägt haben. Vielleicht schätze ich meine Qualifikationen auch heute noch aus diesem Grund geringer ein. Eigentlich bin ich ein Paradebeispiel dafür, dass man mit schlechten Voraussetzungen schulisch trotzdem durchstarten kann.
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Tatsächlich blieb ich nach der Hauptschulempfehlung in der vierten Klasse bis zum Abschluss auf der Hauptschule. Meine Noten waren sogar relativ gut, und schon sehr früh sprach ich davon, eines Tages studieren zu wollen. „Wenn du studierst, dann lade ich dich zum Essen ein“, war die Aussage eines Lehrers. Als würde er davon ausgehen, dass es nicht machbar wäre. Ja, es ist nicht üblich, als Hauptschüler zu studieren. Aber war es unmöglich? Und war es notwendig, das einer Schülerin auf diese Art und Weise unter die Nase zu reiben?
Ich konnte im Anschluss in einem Jahr meinen Realschulabschluss nachholen. In diesem Jahr empfahl mir die Klassenlehrerin, mich nicht für das Technische Gymnasium zu bewerben. Ich würde es nicht schaffen und somit meine Zeit verschwenden. „Schau dich am besten direkt für eine Ausbildung um…“ Ich hörte nicht auf sie, bekam die Zusage und kam dem Ziel eines Studiums näher. Das erste Jahr war hart. Zu der Zeit wusste ich noch nicht einmal, wie man lernt. Somit verbrachte ich das erste Jahr damit, mir das Lernen anzueignen. Das Abitur absolvierte ich sogar ziemlich gut, sodass ich für jedes Studienfach, für das ich mich bewarb, eine Zusage bekam. Und nun habe ich einen Masterabschluss in Maschinenbau. Verrückt!
Das Legastheniker-Mädchen, das nicht vorlesen konnte und in allen Diktaten versagte, denkt jetzt sogar über eine Promotion nach. Sie schreibt sogar eine Kolumne. Sehr positive Erinnerungen an ihre Schulzeit hat sie nicht. Natürlich gab es die, aber in ihrem Kopf hört sie ständig nur, dass sie es nicht schaffen würde. Wie viele Schüler wohl über noch viel mehr Potenzial verfügen, dies in unserem Bildungssystem aber nicht ausschöpfen können?
Ich war nun ein Kind, das trotz Zweifel aufblühen konnte. Das ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme.
Text: Cansu Çak
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