Tanz-Kuratorin Canan Erek im Interview
Canan Erek kam 1987 von Istanbul nach Essen, um Bühnentanz an der Folkwang Universität zu studieren. Es folgte ein Masterstudium in Choreografie in Berlin. Seit 1997 produzierte sie über 20 Bühnenstücke und leitete zahlreiche Tanzprojekte in öffentlichen Räumen sowie in Schulen. Sie initiierte das „PURPLE – Internationales Tanzfestival für junges Publikum“ und kuratiert seit 2022 das TANZ! Heilbronn Festival. Über die diesjährige Ausgabe haben wir mit ihr im Interview gesprochen.
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TANZ! Heilbronn Festival 2024: Die feministische Perspektive
Frau Erek, was macht eigentlich eine Tanz-Kuratorin – und wie wird man das?
Wie man eine Tanz-Kuratorin wird, kann ich pauschal nicht beantworten, denn für diesen Beruf gibt es keine Ausbildung oder Studium. In meinem Fall hat sich diese Berufung innerhalb meiner künstlerischen Karriere als ein weiterer Schritt ergeben. Als Tanz-Kuratorin bin ich für die inhaltliche Gestaltung des Festivals Tanz! Heilbronn verantwortlich und wähle die Programmpunkte aus.
Das TANZ! Heilbronn Festival 2024 stellt die feministische Perspektive auf die Darstellung des Körpers in den Mittelpunkt. Wie ist dieses Konzept entstanden?
Für mich steht die künstlerische Qualität in all ihren Facetten im Zentrum bei der Auswahl passender Stücke für das Festival. Die thematischen Schwerpunkte ergeben sich dann in der Regel von selbst, nachdem ich die für mich interessanten Tanzproduktionen gefunden habe. Dann geht es um die konzeptionelle oder eher um die dramaturgische Arbeit, wie das Gesamtprogramm aussehen soll. Ich bin international vernetzt, sodass ich eine große Bandbreite von künstlerischen Entwicklungen in der zeitgenössischen Tanzkunst mitbekomme. Ich schaue mir über 100 zeitgenössische Tanzproduktionen im Jahr an und wähle daraus aus. In diesem Jahr werden wir starke choreografische Werke sehen, die mit der Kraft des Tanzes neue Aspekte des Frauenbildes entwerfen. Und die feministische Perspektive an sich ist ein zeitgenössisches Thema, was eben viele Künstlerinnen und Künstler beschäftigt.
Wie stößt Tanz gesellschaftliche Diskussionen wie neue Aspekte des Frauenbilds an?
Wir haben alle einen Körper. Körper ist sichtbar und der Tanz unmittelbar. In dieser Reihenfolge ergibt sich das Potenzial des Tanzes als Ausdrucksform. Das, was vor den Augen passiert, lädt die Zuschauenden zum Mitfühlen und Mitdenken ein. Unabhängig davon, ob auf der Bühne persönliche oder gesellschaftlich relevante Themen verhandelt werden. Durch den non-verbalen Kommunikationsweg bleibt der Tanz immer mehrdeutig und hängt von der persönlichen Wahrnehmung ab. Gleichzeitig ist er in der Lage, unterschiedliche Diskurse zur Schau zu stellen.
Tanz als gemeinsame Sprache
Dieses Jahr sind Gruppen aus verschiedenen Teilen Deutschlands, aber auch aus Frankreich, den Niederlanden und Südkorea vertreten. Wie unterscheiden sich feministische Diskurse in diesen unterschiedlichen Kulturkreisen?
Wenn es um feministische Diskurse geht, dann würde ich bereits einen Unterschied innerhalb Europas sehen. Vor allem die unterschiedliche Gewichtung dieses Themas in Großstädten, im Vergleich zu anderen ländlicheren Gebieten in Europa.
Finden Sie als Kuratorin auch Gemeinsamkeiten, die sich durch die Darbietungen aller Kompanien ziehen – quasi eine Art Grundkonsens im Diskurs?
Ich würde das Gemeinsame darin sehen, dass bei allen Tanzproduktionen Diversität und Gleichberechtigung eine Rolle spielen.
Auch Baden-Württemberg wird beim Festival mit einem eigenen Abend in der BOXX vertreten sein. Was macht die hiesige Tanzszene aus?
In Baden-Württemberg gibt es viel Tanz, insbesondere durch die Tanzensembles in Staats- und Stadttheatern. Gleichzeitig gibt es eine gewachsene freie Tanzszene. Mit meiner Ausschreibung für Tanzschaffende aus der Region wollte ich diesen Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform bieten, um ihre Werke sichtbar zu machen. Aus 50 Bewerbungen habe ich sieben verschiedene Stücke ausgewählt, die einen repräsentativen Querschnitt der freien Tanzszene darstellen. Diese ist ästhetisch vielfältig, kreativ und wird von einer internationalen Tanzcommunity weiterentwickelt. Zu dieser Entwicklung tragen neue Bühnen wie zum Beispiel das EinTanzHaus in Mannheim maßgeblich bei.
Interview: Florian Deckert
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