Über den Mythos vom höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland
Das durchschnittliche Jahreseinkommen ist in Heilbronn höher als irgendwo sonst in Deutschland. Damit liegt es fast doppelt so hoch wie der bundesweite Durchschnitt. Doch was bedeutet das? Ist Heilbronn wirklich die reichste Stadt Deutschlands, wie man hin und wieder liest – oder gibt es Effekte, die die Statistik verzerren?
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Hohe Einkommen, aber ungleich verteilt
Laut der Deutschen Presseagentur lag das jährliche Pro-Kopf-Einkommen in Heilbronn im Jahr 2019 bei 42.275 Euro pro Jahr. Somit verdienten die Menschen in der Stadt in diesem Vergleich fast 20.000 Euro mehr als im Rest der Republik, wo das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen gerade einmal bei 23.706 Euro lag. Verfälscht wird diese Statistik natürlich durch viele sehr reiche Menschen, die in der Käthchenstadt wohnen – allen voran Dieter Schwarz. Ihr Einkommen fließt ungefiltert in diese Statistik mit ein. Für aussagekräftiger halten viele daher das Medianeinkommen, dessen Berechnung solche extremen Ausreißer unbeachtet lässt. Und dieses liegt in Heilbronn zwar immer noch leicht über dem Bundes-, jedoch unter dem Landesdurchschnitt.
Führt man die Statistiken zusammen, erkennt man: Die Einkommen in Heilbronn sind sehr ungleich verteilt. Die Lücke zwischen Menschen mit Spitzenverdienst und der Mittelschicht ist groß, die Einkommensschere geht weit auseinander. Auf der einen Seite gibt es neben Dieter Schwarz noch rund 40 weitere Einkommensmillionäre und -millionärinnen. Auf der anderen Seite werden „einfache“ Jobs genauso schlecht bezahlt wie im Rest des Landes.
Die Pandemie als Verstärker
Dieses stark ausgeprägte Gefälle macht das Leben in der Stadt für Menschen mit mittleren oder niedrigen Einkommen nicht leichter. Aufgrund der vielen Gutverdiener*innen ist das Mietpreisniveau hoch. So müssen Arbeitnehmer*innen mit durchschnittlichen Löhnen einen Großteil ihres Gehalts alleine für die Miete aufbringen, Spielraum zum Bilden von Reserven bleibt kaum. Der Kauf einer Immobilie in Heilbronn ist für den Durchschnittsverdiener*innen erst recht schwer zu realisieren. Und wenn Durchschnittsverdiener*innen in etwa die Hälfte ihres ohnehin knapp bemessenen Einkommens als Miete an mutmaßlich wohlhabende Immobilieneigentümer*innen abgeben, treibt das sie wirtschaftliche Schere natürlich noch weiter auseinander.
Auch die Pandemie hat sicher eher dazu beigetragen, dass sich diese Schere eher weiter öffnet als schließt. Diejenigen, deren Einkommen gebunden und nicht frei verfügbar ist, die über nur überschaubare Rücklagen verfügen, können es sich kaum leisten, zu investieren oder gar zu spekulieren. So lassen sich die Chancen, die sich vermeintlich aus der Pandemie ergeben haben, natürlich nicht nutzen. Überdurchschnittlich stark von der Pandemie betroffen waren Menschen, die in Niedriglohnsektoren wie der Dienstleistung oder der Gastronomie beschäftigt sind und monatelang überhaupt nicht arbeiten konnten. Deren wirtschaftliche Situation dürfte sich trotz Unterstützung (zum Beispiel in Form von Kurzarbeitergeld) im Mittel noch verschärft haben.
Hohe Lebensqualität im öffentlichen Raum
Trotz alledem: Dass Heilbronn die einkommensstärkste Stadt Deutschlands ist, hat natürlich für alle Bewohner*innen der Stadt auch immense Vorteile. Kaum eine andere Stadt in Deutschland wurde in den vergangenen Jahrzehnten so entwickelt wie Heilbronn. Die Stadtbahn, die Neckarpromenade, das BUGA-Gelände und der Bildungscampus sind nur einige Beispiele hierfür. Die Infrastruktur ist intakt, die Stadt ist sicher und sauber, die Freizeitmöglichkeiten sind vielfältig. Heilbronn bietet für seine Einwohner*innen eine überdurchschnittlich hohe Lebensqualität. Das alles ist möglich, weil Mäzene wie Dieter Schwarz viele Projekte fördern und auch weil die Stadt Heilbronn durch entsprechende Steuereinnahmen über die nötigen Mittel verfügt.
Auch wenn nicht immer alles „gerecht“ verteilt ist: In Heilbronn zu leben ist ein Privileg. Und zumindest indirekt profitieren auch Menschen mit Durchschnittsverdienst am Ende von den hohen Einkommen der reichen Bürger*innen unserer Stadt.
Text: Chris Hahn | Illustrationen: DALL-E 2
Heilbronn ist keine saubere St adt
Man müsste halt auch mal den Besen in die Hand nehmen, da an nicht überall mit der Kehrmaschine h I nkommt.