Heilbronner Clubs: Ein Jahr im Shutdown

Heilbronn Clubs - Ein Jahr Shutdown

Schon im Frühjahr 2020 war absehbar, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie die Clubs und Gastro-Betriebe besonders hart treffen würde. Klar, denn Orte an denen viele Menschen sich auf engem Raum treffen sind potenzielle Infektionsherde und müssen deshalb aus Sicherheitsgründen geschlossen bleiben. Letztes Jahr haben deshalb wir mit einigen Menschen aus der Branche über ihre Situation geredet. Und bereits damals, als Clubs und Bars gerade erst wenige Wochen zu hatten, war die Lage für viele von ihnen angespannt. Wie sieht es jetzt aus, da die Locations bis auf wenige kurze Öffnungsphasen seit mehr als einem Jahr den Betrieb einstellen mussten? Wir haben bei einigen Betreibern aus Heilbronn nachgefragt.


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Thilo Wecker, Geschäftsführer Bukowski Live

Thilo Wecker - Bukowski Heilbronn

Wie habt ihr vom Buko-Team die Zeit der Schließung seit dem Frühjahr 2020 verbracht?
Von nichts kommt nichts, deswegen haben wir uns durch diverse Umbaumaßnahmen abgelenkt und außerdem eine Art „Biergarten“ geschaffen. So werden wir in Zukunft über die Sommermonate besser variieren und allen Anforderungen gerecht werden können. Mehr Platz und Abwechslung sind allen Besuchern somit garantiert, aber keine Sorge, wir bleiben trotz „Biergarten“ dem Buko-Sound natürlich treu und sorgen weiterhin für abgefahrenen elektronischen Sound in der Käthchenstadt.

Was hätte in Sachen Unterstützung aus eurer Sicht besser laufen können?
Eigentlich alles, wir haben ja unsere Existenz quasi für das Wohl der Allgemeinheit geopfert und mussten finanziell richtig Federn lassen. Es hat wohl niemand so hart getroffen wie die Club-Szene und wir fühlen uns von der Politik doch ziemlich vergessen. Die Hilfen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein und reichen bei weitem nicht aus. Von unseren Mitarbeitern auf Minijob-Basis möchte ich jetzt besser erst gar nicht anfangen.

Gibt es für euch schon eine konkrete Perspektive für das Jahr 2021?
Naja, bei den ganzen hin und her haben wir uns Prognosen mittlerweile abgewöhnt. Wir hoffen auf das Beste und rechnen mit dem Schlimmsten. Und versuchen einfach, irgendwie trotzdem positiv – darf man das so überhaupt noch sagen 😉 – zu bleiben.

www.bukowski-live.de


Matthias Kern, Betriebsleiter Gartenlaube

Matthias Kern - Gartenlaube Heilbronn

Wie lief die Zeit seit unserem letzten Interview im Frühling 2020 für euch in der Laube?
Wie alle sind wir ob der Entwicklung nahezu täglich überrascht worden. Als die wärmere Jahreszeit begann, haben wir unseren Nachtbiergarten etabliert und es war ein schöner und erlebnisreicher Sommer. Mit einem Sozialplan haben wir einigen wenigen vom Team ein Nebeneinkommen zusichern können, womit es Ende Oktober wieder vorbei war. Seither herrscht Perspektivlosigkeit, wir sind aber startklar für eine Öffnung und stehen in den Startlöchern. Vielleicht können wir wieder einen Sommer wie 2020 gemeinsam mit unseren Gästen erleben und erhalten eine Perspektive für den Normalbetrieb.

Seid ihr zufrieden mit der Unterstützung, die aus Politik für Kulturbetriebe wie euren kam?
Wir sind auch eine der am stärksten betroffenen Branchen, zufrieden kann man mit dem Management der Pandemie never ever sein. Es gibt sehr viele Kritikpunkte. Zusammengefasst kann man wohl sagen, es fehlt Mut und die Bürokratie tut ihr übriges. So kann man keine Krise bewältigen. Die Kultur wurde als verzichtbar erklärt, das wird ewig hängen bleiben. Die Hilfen flossen zögerlich und bei weitem nicht ausreichend und nicht einfach in der Abwicklung. Aber es nervt schon, darüber noch weiter nachzudenken.

Lassen wir es gut sein, andere können es besser und kreativer. Es macht mich traurig, was aus dem Land der „Dichter und Denker“ geworden ist. Vergessen wurden unsere Minijobber auf voller Linie – Schüler und Studenten ohne Geringverdiener, welche weiterhin ihre monatlichen Kosten haben, aber komplett ohne staatlichen Ausgleich dastehen.

Wie blickt ihr in so einer Situation in die Zukunft?
„Stirbt die Laube, stirbt Heilbronn!“ ist keine Spruch der mal so gesagt wird, es ist eine Verpflichtung. Wir werden stärker denn je zurückkommen und für das Laube-Team eine Zukunft bauen, welche einen Teil des Erlebten eines Tages hoffentlich vergessen und verdrängen lässt. Wir hoffen, wieder einen Sommer mit eingeschränktem Biergarten-Betrieb fahren zu können und gegen Herbst einen Weg hin zur „Normalität“ erleben zu können. An Weihnachten „Last Christmas“ singen mit Freunden wäre schön. Am Ende des Tages werden die Reichen der Gesellschaft reicher geworden sein, die Pandemie wird unnötige Opfer zu beklagen haben, wir werden mehr sozial Schwache haben und der Sozialstaat ist an der Grenze des Belastbaren. Eines Tages wird man wieder in Wirtschaftswachstums-Orgien verfallen und sich selbstlobend auf die Schulter klopfen. Wie sagte einst der Fußballtrainer Dragoslav Stepanović? „Lebbe geht weider.“

www.gartenlaube.com


Felix Seeger, Betriebsleiter Creme 21 der Club

Felix Seeger - Creme 21 Heilbronn

Ein Jahr im De-facto-Shutdown, was hat das fürs Creme bedeutet?
Das vergangene Jahr seit März 2020 haben wir, wie wohl so ziemlich alle Kollegen, als sehr schwierig erlebt. Die Zeit der Ungewissheit hält für unsere Branche ja nach wie vor an. Genaugenommen befinden wir uns ja immer noch im ersten Lockdown. Nachdem wir uns in die entsprechenden Überbrückungs- sowie Hilfsprogramme eingearbeitet haben, war uns ziemlich schnell klar, dass wir uns mit weiteren Themen befassen müssen, da uns das Thema Corona noch eine ganze Weile beschäftigen wird. Wir haben uns in entsprechenden überregionalen Verbänden organisiert, wie dem Bund Deutscher Discotheken- und Tanzbetriebe, dem DEHOGA, verschiedenen regionalen Verbänden wie zum Beispiel der IG Clubkultur BW und natürlich Austausch betrieben mit verschiedenen Experten im Bereich der Medizin, Hygiene und Lüftungsthematik sowie auch mit Kommunal- und Landespolitik.

Einhergehend mit den Lockerungen in den vergangenen Sommermonaten konnten wir mit einem entsprechenden Hygienekonzept und kapazitätsbeschränkt für vier Wochen eine NACHTBAR im Creme21 etablieren. Schon damals haben wir mittels QR-Codes auf eine digitale Kontaktnachverfolgung gesetzt und waren Vorreiter in Heilbronn. Leider kam dann Ende Oktober die Einführung einer Sperrzeit um 23 Uhr, welche einen NACHTBAR-Betrieb wieder gekippt hat. Anfang November folgte ja dann auch gleich der allgemeine Lockdown.

Mit dem Konzept habt ihr ja schon Eigeninitiative bewiesen. Wie bewertet ihr die Unterstützung der Politik in den Phasen, in denen gar nichts möglich war?
Im Grunde genommen können wir uns bei den Unterstützungsleistungen der Politik nicht groß beklagen. Durch die enorme Mitwirkung von DEHOGA und BDT sind diese im Regelfall auch sehr zielgerichtet. Ebenso kommen sie auch an, zwar mit Verzögerung – aber immerhin. Nichtsdestotrotz muss man aber auch ganz klar sagen: Ein Jahr Stillstand, ein Jahr Betriebs- beziehungsweise Berufsverbot sind ein Ritt auf der Rasierklinge! Das Thema Unternehmerlohn muss dringend nachgebessert werden. Hier besteht absoluter Handlungsbedarf. Die vielgepriesene „vereinfachte Grundsicherung“ ist nichts weiter als eine Farce.

Für die gesamte Branche, egal ob Clubs, Veranstalter, Veranstaltungstechnik oder Künstler, müssen dringend Perspektiven seitens der Politik geschaffen werden. Wir sind allesamt Profis, haben innovative Konzepte entwickelt, zusammen mit Virologen und weiteren Spezialisten. Es ist mehr als an der Zeit, dass diese auch in Öffnungsperspektiven integriert werden. Wir erfüllen einen äußerst relevanten Kulturauftrag. Sind sozusagen das Wohnzimmer der Gesellschaft – sind stilprägend für ganze Generationen, bieten Safe Spaces und Orte der freien Entfaltung. Wir hoffen, dass die Politik dieses Kulturgut sich nicht nur im Superwahljahr, sondern auch darüber hinaus zu eigen macht.

Und wie sieht es mit dem Support aus der Zivilgesellschaft aus?
Was die gesellschaftliche Unterstützung betrifft sind wir absolut happy! Wir bekommen großartiges Feedback von unseren Gästen, aufmunternde Worte, Vorfreude auf Clubnächte die irgendwann wiederkommen werden und absolute Wertschätzung übermittelt. Das gibt uns Power und Zuversicht – wir haben die besten Gäste! DANKE dafür!

Wie blickt ihr angesichts dessen in die doch relativ ungewisse Zukunft?
Optimistisch. Optimismus, positive Energie, ein gesundes Mindset, betriebswirtschaftliche Weitsicht und die Bereitschaft, sich neuen Situationen anzupassen sind die einzigen Mittel, um halbwegs durch diese Krise zu kommen. Eine konkrete Perspektive für unsere Branche gibt es aber seitens der Politik nicht. Wir stehen auch nach über einem Jahr nach wie vor ganz hinten in der Reihe. In Lockdowns gesprochen: First in – Last out.

Wir arbeiten aber mit Hochdruck daran, Grundlagen für entsprechende Perspektiven zu schaffen. Sozusagen „Clubbing 2.0“. Das bedeutet, dass wir Konzepte entwickeln und prüfen, uns im Austausch mit entsprechenden Institutionen befinden und somit eine Basis schaffen wollen – welche der Politik das Heft des Handelns in die Hand drückt. Wir wollen zeigen, dass wir Profis in unserem Bereich sind und mit Innovationskraft und absoluter Risikominimierung Teil der Lösung sind. Wann das sein wird, steht aktuell noch in den Sternen. Aber wir setzen alles daran, dass es möglich wird, um bald wieder mit euch allen zusammen zu sein und legendäre Nächte zu produzieren!

www.creme21derclub.de


Michael Brähne, Inhaber Mobilat

Michael Brähne - Mobilat Heilbronn

Auch das Mobi hat jetzt praktisch schon seit einem Jahr zu. Wie liefen die letzten zwölf Monate für euch?
Bis zum Sommer 2020 herrschte große Ungewissheit. Als es Clubs dann ermöglicht wurde, als „Nachtbars“ zu öffnen, haben wir schnell entschieden, dass dies keine Option für das Mobilat sein kann. Wir sind ein Club und keine Bar! Unsere Gäste möchten tanzen und dabei etwas trinken können und nicht in einem Club etwas trinken und dabei ein Tanzverbot einhalten müssen. Das macht aus unserer Sicht keinen Sinn. Es war auch vorhersehbar, dass eine zweite Welle und ein weiterer Lockdown kommen werden. Gewiss war eigentlich immer nur, dass wir nicht so schnell zur Normalität zurückkehren werden können.

Wie habt iht die Zeit seitdem überbrückt?
Die Hilfen der Landes- und Bundesregierung fließen von Anfang an und helfen, das Mobilat zu bewahren! Natürlich geht immer mehr, geht es immer noch einen Tick besser, aber Fakt ist einfach auch, dass das Ausmaß dieser Pandemie einzigartig ist und uns als Gesellschaft nahezu unvorbereitet getroffen hat. Bedenkt man dies, stehen wir alle eigentlich gut da – vorausgesetzt, man ist gesund geblieben. Das sind leider viel zu viele nicht.

Absolut, das wird oft vergessen. Habt ihr trotzdem schon so etwas wie einen Plan, an dem ihr euch so ein bisschen festhalten könnt?
Eine konkrete Perspektive haben wir nicht, man kann auch seriös keine formulieren. Ich hoffe auf einen „normalen“ Clubbetrieb ab dem Winter, ob noch im Winter 2021 oder erst 2022 wird sich zeigen. Je nachdem wie erfolgreich die Impfkampagne bis zum Herbst verlaufen wird. Solange die finanziellen Hilfen fließen, werden wir überleben können und wieder öffnen, sobald es möglich sein wird! In jeder Krise steckt auch eine Chance zur Veränderung und Weiterentwicklung. Lassen wir uns überraschen, wie sich das Mobilat bis dahin weiterentwickelt haben wird.

www.mobilat.club


Dardan Aliu, Geschäftsführer The Rooms Club, Hip Island, Doris Hill & Lyckaá

Dardan Aliu - The Rooms Club, Hip Island Heilbronn

Neben Corona warst du als Gastronom 2020 ja noch mit ganz anderen Schwierigkeiten konfrontiert. Was genau ist bei dir passiert?
Corona hat die Welt ziemlich ins Wanken gebracht. Das Ausmaß wird erst ab 2022 spürbar, nichtsdestotrotz bin ich zuversichtlich. Aber zurück auf die Kernfrage: Jaaaa, ich dachte Corona ist das schlimmste, was einem in unserer Brache passieren kann. Aber nein, es kommt immer schlimmer. Durch den Brand in meiner Lokalen Doris Hill und Lyckaá bin ich völlig am Boden zerstört gewesen. Und das stellt mich vor völlig neue Herausforderungen, mit denen ich natürlich nicht gerechnet habe. Aber jedes Problem birgt eine Lösung mit sich und somit hoffe ich, dass ich aus der Sache trotzdem noch gestärkt herausgehe.

Wie bewältigst du aktuell beide Probleme? Muss man sich da auf eine Herausforderung konzentrieren oder nimmst du beides in Angriff?
Ich konzentriere mich jetzt nur auf das Hip Island und den The Rooms Club, in der Hoffnung, dass ich beides als Open-Air Lokation mit zwei neuen Konzepten eröffnen kann. Das sind primär meine Hauptaufgaben, die ich momentan zu bewältigen habe. Alles andere kann ich absolut nicht beeinflussen. Die Brandgeschichte wird sich sicherlich in die Länge ziehen und so wie es aussieht auch die Corona-Situation. Aber eins ist klar, ich bin absoluter Kämpfer und ein naiver Optimist. (zwinkert)

Das ist wahrscheinlich die einzig richtige Einstellung in der Situation. Gibt es auch etwas, dass dich dieses Jahr als Gastronom positiv stimmt?
Positiv stimmt mich eigentlich nicht viel, denn durch die tägliche Situation fällt es mir schwer, Pläne zu realisieren. In der Gastronomie braucht man eigentlich immer drei Monate Planungsvorlauf. Aber es kann nur besser werden und ich hoffe, dass das Impfen schnell vorangeht. Damit wir endlich wieder ausgelassen draußen sitzen und uns über das Leben freuen können.

www.hip-island.de


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