Wie Bojana Wiegand von der Pflege zur Kunst fand
Derzeit wird ja viel über sogenannte systemrelevante Jobs diskutiert. Während die Meinungen bei einigen Berufsbildern auseinandergehen, ist man sich wohl einig darüber, dass die Pflege definitiv dazugehört. Bojana Wiegand hat insgesamt 16 Jahre in diesem Job gearbeitet, sieben davon als Pflegedienstleitung einer großen Einrichtung in Heilbronn. Doch nach so langer Zeit wagte die 33-jährige noch einmal einen Neufanfang – als Künstlerin unter dem Pseudonym Bo Contrast.
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Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg
Geboren wurde Bojana 1987 in Banja Luka, der zweitgrößten Stadt von Bosnien und Herzegowina. Ihre jungen Jahre waren für sie durch die Schrecken des Bosnienkriegs geprägt. Während ihre muslimische Mutter nach Deutschland floh, wurde ihr serbo-orthodoxer Vater als Soldat eingezogen – und Bojana wuchs bei den Großeltern auf. Erst 1998 schaffte es die Mutter, ihre Tochter zu sich zu holen. „Ich versuchte mich schnellstmöglich zu integrieren, erlernte relativ schnell die Sprache und machte meinen Realschulabschluss“, erzählt Bojana über die Zeit danach. Dieser Wille, sich schnell an neue Gegebenheiten anzupassen und das Beste aus jeder Situation zu machen, zeichnet die Untergruppenbacherin auch auf ihrem späteren Weg als Künstlerin aus. Bevor sie sich kreativ selbstverwirklicht, schlägt Bojana allerdings zunächst eine geregelte Berufslaufbahn ein.
Nach ihrer Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin vor 16 Jahren folgen Qualifikationen im sozialen Management und schließlich die Pflegedienstleitung in Heilbronn. Bojana erinnert sich: „Ich liebte meine Arbeit sehr und hatte das große Glück, meine damalige Heimleitung an meiner Seite zu haben, die mich in dieser Zeit förderte und unterstützte, wo sie nur konnte. Dafür bin ich einfach nur dankbar, denn das ist gerade in der heutigen Gesellschaft alles andere als selbstverständlich.“ In den letzten Jahren kam es allerdings zu einem Trägerwechsel im Unternehmen. Das führte letztendlich dazu, dass sich der Arbeitsalltag immer weniger mit Bojanas Wertevorstellungen in Bezug auf den Beruf deckte. Als sich diese Veränderungen auch noch auf ihre Gesundheit auswirkten, zog sie 2019 schließlich die Reißleine.
Aus Bojana wird Bo Contrast
„Schweren Herzens fasste ich den Entschluss, meinen sicheren Job zu kündigen und komplett aus diesem Berufsfeld auszusteigen“, erzählt Bojana. „Ich ging zunächst ins Ausland, nach Bali, wo ich die letzten Jahre sehr viel Zeit verbrachte. Aber Corona kreuzte hier meine Pläne und so kehrte ich zurück nach Deutschland – zwar mit sämtlichen Visa, aber ohne die dazugehörigen Stempel in meinem Pass.“ Eine ziemlich unsichere Zeit in Bojanas Leben also, aber die perfekte Gelegenheit für einen Neuanfang. Denn schon zehn Jahre zuvor begann sie, als Ausgleich zum Alltag zu malen. Diese befreiende Wirkung kam der aufstrebenden Künstlerin auch 2020 zu Gute. Doch aus der Selbsttherapie wird bald mehr.
Bei Instagram veröffentlicht Bojana ihre Werke und wird vom Feedback beinahe überrollt. Aber nicht nur ihre Follower sind voll des Lobes. Schon bald trudeln die ersten Anfragen von großen Kunst-Plattformen und internationalen Galerien aus Madrid, Paris, Zürich oder sogar Tokio ein. „Für mich fühlt sich das ganze immer noch wie ein Traum an, denn ich habe mir davor nie die Frage gestellt, ob ich dazu in der Lage wäre“, sagt Bojana. „Wie man wieder sieht: Einfach machen bringt den Fortschritt.“
Mit Acrylfarben und Sprays bildet Bojana auf ganz unterschiedliche Weise Kontraste – daher auch der Name „Bo Contrast“. In ihren Werken verarbeitet sie gegenwärtige Gedanken in abstrakter Form und reduziert komplexe Themen so auf das Wesentliche. Dadurch gibt die Künstlerin ihren Betrachter*innen ganz viel Freiraum bei der Interpretation. „Es geht sowohl um die Sensibilisierung als auch um Stimulation der eigenen Wahrnehmung und kein In-die-Ecke-voller-Tatsachen-drängen“, erklärt Bojana. Und ihr Konzept geht auf: Auch im Jahr 2021 werden ihre Bilder wieder in Ausstellungen in ganz Europa zu sehen sein. Das Erfolgsrezept der Künstlerin ist dabei eines, das sich praktisch durch ihren gesamten Lebensweg zieht: „Letzten Endes geht es nur darum, immer authentisch zu bleiben – egal wobei.“
[FD]
Mehr von Bo Contrast:
Website: www.bocontrast.com
Instagram: www.instagram.com/nichttinewittler
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