Ein edler Tropfen auf dem heißen Stein

Weinbau & Klimawandel - Globale Erwärmung

Wie Weinbau und globale Erwärmung zusammenhängen

Mehr als die Hälfte des Württemberger Weins reift auf dem Gebiet von Stadt und Landkreis Heilbronn. Der Rebsaft profitierte dabei lange nicht nur vom fruchtbaren Boden, sondern auch dem milden Klima der Region. Dass sich Letzteres dauerhaft erwärmt, das zeigt nicht nur die jüngste Hitzewelle im Sommer 2022. Aber wie wirkt sich die globale Erwärmung langfristig auf die Weinregion Heilbronn aus? Und welchen Einfluss hat der Weinbau seinerseits auf das Klima? Wir haben nach Antworten gesucht.


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Klima ist immer

In vino veritas, im Wein liegt die Wahrheit – dieses Bonmot kennen viele Kulturen schon seit Jahrhunderten. Zur kulturübergreifenden Wahrheit unserer Zeit gehört dabei auch, dass der Weinbau eng mit dem Klimawandel verknüpft ist. „Jede Branche, in der Treibhausgase emittiert werden, trägt per se zum Klimawandel bei“, sagt Prof. Daniel Deimling. Der Studiengangsleiter des Fachs Weinmarketing & Management an der Hochschule Heilbronn hat seinen Forschungsschwerpunkt seit über zehn Jahre auf das Thema Nachhaltigkeit ausgerichtet. Bereits 2009 entstand außerdem das Deutsche Institut für Nachhaltigkeit (DINE) an der Hochschule. Dieses setzt sich für Forschung und Bildung im Bereich des nachhaltigen Wirtschaftens in den Schwerpunkten Weinwirtschaft, Logistik und Tourismus ein. Das DINE hat etwa das Nachhaltigkeitssiegel „Fair Choice“ für Weine entwickelt und damit Pionierarbeit in Deutschland geleistet.

Prof. Dr. Daniel Deimling - Hochschule Heilbronn
Prof. Dr. Daniel Deimling, Studiengangsleiter Weinmarketing & Management

Laut dem jüngsten Bericht des IPCC aus dem Jahr 2022 liegt die Wahrscheinlichkeit, dass wir das Zwei-Grad-Ziel einhalten, bei nahezu null Prozent. Viel wahrscheinlicher ist eine Erwärmung von mehr als 3 und bis zu 5,7 Grad bis zum Jahr 2100. Weite Teile der Erde wären damit schlichtweg unbewohnbar. „Das sind wissenschaftlich gesicherte Daten, in deren Anbetracht wir tatsächlich in kollektive Panik verfallen sollten. Wir fahren aber lieber SUV. Oder wir glauben, dass Mülltrennung, Elektroautos und Bio-Avocados das Klima retten,“ so Deimling. Angesichts dieser erschreckenden Zukunftsprognosen finden die Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel nicht nur in konkreten Veranstaltungen statt, sondern sind im Studiengang praktisch omnipräsent. „In Projekten, Hausarbeiten und Abschlussarbeiten werden schwerpunktmäßig Nachhaltigkeitsthemen bearbeitet, da es um die Zukunft der Branche geht“, erklärt der Studiengangsleiter.

Der Nachwuchs lernt Nachhaltigkeit

Im Verlaufe ihres Studiums lernen die angehenden Weinmanager*innen beispielsweise, wie die Wasserhaltekraft der Böden verbessert werden kann, welche neuen Reb-Krankheiten und Schädlinge durch den Klimawandel auftreten oder welche langfristigen Vorteile organische Düngung für das Ökosystem Weinberg bietet. Daniel Deimling sagt: „Es gibt bereits klimaneutrale Weingüter, aber zu wenige.“ Ein weiterer Schwerpunkt greift außerdem erst nach der eigentlichen Produktion des Wein. „Problematisch aus Nachhaltigkeitssicht sind die globale Vermarktung von Wein und damit die Transportwege des fertigen Produkts“, so Deimling. Denn ganze 57 Prozent der emittierten Treibhausgase einer Flasche Wein entfallen auf die Verpackung. Hier wird also ebenso auf nachhaltige Lösungen geachtet wie bei der Auswahl der Unternehmen, mit denen der Studiengang kooperiert. Nachhaltigkeit muss für diese ein relevantes Thema sein.

Weinblatt Sonne
Jovana Askrabic / Unsplash

Im Vertiefungsstudium steht zudem der Punkt „Nachhaltigkeit und Ethik in der globalen Weinwirtschaft auf dem Lehrplan. „Es geht um den Kapitalismus, um soziale Ungleichheit, um Exploitation von Ländern, Menschen, natürlichen Ressourcen, es geht um Postwachstum, um Systemalternativen“, erklärt Daniel Deimling. Um das große Ganze also, die Voraussetzungen und Folgen einer Wirtschaftsweise, die auf endloses Wachstum bei endlichen Ressourcen setzt. Und um Lösungsansätze, die Grundsätzliches in Frage stellen. „Das Bewusstsein der Studierenden für die Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel ist enorm und deutlich größer als in der etablierten Weinwirtschaft“, sagt Deimling. Gute Voraussetzungen also, um das Gelernte anschließend auch in die Praxis zu bringen. Entsprechende Berufsbilder entstehen immer mehr in der Branche. „Da unsere Studierenden eine sehr fundierte Ausbildung im Bereich Nachhaltigkeit erhalten, sind sie bestens für solche Jobs vorbereitet“, befindet der Studiengangsleiter.

Von Generation zu Generation

Bereits voll in der Weinwirtschaft angekommen ist Winzerin Velia Fischer. Die 23-jährige ist im Familienbetrieb Weingut Fischer tätig, der mittlerweile schon in der 7. Generation am Kleinen Stiftsberg existiert. Den Einfluss des sich dramatisch erwärmenden Klimas können die Fischers anhand ihrer eigenen Familiengeschichte nacherzählen. „Die Veränderungen sind massiv, wenn die Oma erzählt, dass es während der Lese immer kalt war. Da der Start der Lese im Oktober war, gab es manchmal sogar Frost oder Schnee“, berichtet Velia. „Dann war der erste Lesetag an meinem Geburtstag, dem 29. September 1998.“ Seitdem hat sich der Beginn der Weinlese weiter in Richtung Spätsommer verschoben, inzwischen wird bereits ab Anfang oder Mitte September gelesen. Auch für Familie Fischer ist nachhaltiger Weinbau daher ein wichtiges Thema. Schließlich möchte man den kommenden Generationen einen gesunden Weinberg hinterlassen.

Velia Fischer - Weingut Fischer Heilbronn
Velia Fischer vom Weingut Fischer Heilbronn

Der Weinbau passt sich an

„Wir arbeiten in unserer Branche mit der Natur und dem Klima. Das heißt: Die Qualität unserer Produkte und deren Geschmack werden von der Natur bestimmt“, bekräftigt Velia. Aktuell pflanzt man im Weingut viele Weinberge neu an, wobei die Familie darauf achtet, in welchen Mengen die Pflanzen gesetzt werden. Hier schlagen nun außerdem auch Sorten Wurzeln, die bisher nicht typisch für die Region waren. Velia erklärt: „Das hat einerseits damit zu tun, dass wir darauf achten wollen, was mit unserem Klima passiert. Und natürlich verändern sich auch die Bodengegebenheiten im Laufe von 50, 60 Jahren.“

Weingut Fischer Heilbronn - Riesling
Riesling aus dem Weingut Fischer

Bei der Bewässerung der Reben setzt das Weingut Fischer zunehmend auf Sorten, die mit weniger Wasser zurechtkommen. Das bedeutet nicht nur geringen Wasserverbrauch, sondern auch seltenere Fahrtwege zur Bewässerung der Pflanzen. Biologische Spritzmittel werden ebenfalls immer wichtiger. „Wir versuchen, veganen Wein herzustellen und unsere Büroabläufe papierlos zu gestallt. Zudem sind unsere Flaschen Mehrwegflaschen“, ergänzt Velia. Weinfreund*innen, die künftig möglichst umweltfreundlich genießen wollen, rät die Winzerin: „Kauft in der Region, lernt die Personen und die Anbauweisen kennen und schaut auf Qualifizierungen.“

Text: Florian Deckert | Titelbild: Erstellt mit MidJourney