Was tust du, wenn das Schicksal dich zu einem Gespräch einlädt?

Autorin Cristina Baglio aus Heilbronn

Nach der Diagnose Hirntumor schreibt Cristina Baglio ihre Gedanken in einem Buch nieder

Cristina Baglio wohnt in Heilbronn, sie ist Lehrerin an einer Gemeinschaftsschule, unterrichtet Französisch und Deutsch. 34 Jahre jung, eine kreativ schaffende Seele, die sich im Singen, Schreiben und Improtheater auslebt. Letztes Jahr bekommt sie die Diagnose Hirntumor. Wie geht man mit einer derartigen Nachricht um? Und was passiert eigentlich nach solch einem großen Eingriff, der den Körper auch seelisch an seine Grenzen bringt? Cristina nimmt sich die Zeit, um uns von ihrem Weg mit ihrem Schicksal zu erzählen. Kaffees stehen bereit und dann beginnt Cristina zu erzählen.

Auch interessant:

  1. Caroline O’Donoghue: "Die Sache mit Rachel" (Rezension)
  2. Gina Gerich aus Heilbronn stellt ihren Debütroman vor
  3. Toni Schmidt - Romanautor aus Heilbronn (1)

Es tut mir leid, Sie haben da etwas

Einen Satz, den man wohl von Ärzt*innen eher nicht hören möchte. Vielleicht etwas zu banal formuliert, aber die Message ist klar. Hier ist etwas, das da nicht hingehört. Cristina erfährt Ende letzten Jahres von ihrem stillen Begleiter, aber er kann entfernt werden. Mitte Januar dann die Analyse des Tumors: „Wenig bösartig, kann also wiederkommen, wir sehen Sie zur Kontrolle wieder in drei Monaten.“ Was macht man mit dieser Info nun? Die Ärzt*innen sind sich da ganz sicher. Tumor draußen, also soll auch Cristina zeitnah wieder raus in die Welt. Zurück zur Arbeit, schnell, schnell. Das lehnt sie aber ab, denn wie soll man in so kurzer Zeit dieses traumatische Erlebnis und deren Folgen verarbeiten und so tun, als wäre nichts passiert?

Einmal bitte auf Pause drücken

Cristina lässt sich auf Anraten einer Psychotherapeutin krankschreiben und geht zur Reha, für insgesamt drei Wochen. Dafür besucht sie den onkologischen Bereich der Habichtswald-Klinik in Kassel. Während ihrer Zeit dort nimmt sie sich ihre Momente und beginnt zu schreiben. So verarbeitet sie Erlebtes, lässt Begegnungen vor Ort und therapeutische Ratschläge in ihr Geschriebenes miteinfließen. Ein Buch war zunächst nicht geplant, aber im Laufe ihres Aufenthalts und während des Schreibens kommt ihr der Gedanke „Das muss ich veröffentlichen“. Also schreibt sie insgesamt sechs Monate, ab dem Zeitpunkt der Diagnose im Januar, an ihrem Buch.

Hier geht es nicht nur um Hirntumor, es geht um mich

Wer jetzt denkt, es würde sich bei dem Buch nur um eine Geschichte über Erkrankung handeln, der irrt sich. Denn es geht um die Zeit während und nach der Reha. „Wie gehst du mit dem Schicksal um, egal um welche Steine es sich auf deinem Weg handelt?”, fragt Cristina.Thematisch geht es in ihrem Buch um Begegnungen zwischen jungen und älteren Generationen, das Kennenlernen von verschiedenen Schicksalen und den Umgang damit. Man wird eingeladen, über sein eigenes Handeln nachzudenken, die nächsten Schritte zu gehen und sich die Frage zu stellen: „Wie mache ich weiter?“ In ihrem Buch spricht sie die Leser*innen mehrmals direkt an, geht mit ihnen in den Dialog.

Warum ein Buch?

„Ich habe die Zeit in der Reha als Chance genutzt, mein Leben zu hinterfragen. Oberflächlich und nach außen klang es vor der Diagnose ideal, sodass man sich sogar darauf ausruht. Eigene Potenziale ausschöpfen? Brauche ich nicht, weil die Außenwelt ja mit einem zufrieden ist und man nicht kritisiert oder verurteilt wird, also macht man genau so weiter wie bisher”, erklärt Cristina. „Dort in der Reha hatte ich Begegnungen mit wirklich besonderen Menschen jeden Alters, mit welchen ich normalerweise nie meinen Alltag verbracht hätte. Ich will, dass noch mehr Menschen die Chance haben, von diesen besonderen Schicksalen zu erfahren. Eine geöffnete Tür für Menschen, die Ähnliches durchmachen im Leben und sich die Frage stellen: Was mache ich jetzt?” Es geht also nicht nur um eine Erkrankung – Cristina bringt einen humorvollen, optimistischen Blick auf verschiedene Schicksale.

Ich bin mehr als mein Schicksal

Ich lasse in dem Buch tiefe und intime Einblicke in meine Welt zu, das hätte ich vorher selbst niemals von mir gedacht. Tiefsitzende Ängste und Gedanken offenbare ich, ohne Scham und Halt. Ich möchte mich auch nicht auf dem, was mir widerfährt, ausruhen und ich bin sowieso kein Fan von ‘Das ist Schicksal, das passiert halt so’. Mein Leben kann ich selbst in die Hand nehmen und meine Hauptmessage ist, dass man seine eigenen Grenzen und Positionierungen setzen kann”, sagt Cristina. „Man denkt über das eigene Handeln nach und kann auch aus einem Scheitern zum Glück finden.”

Cristina Baglio: "Du bist mehr als dein Schicksal"

“Du bist mehr als dein Schicksal” von Cristina Baglio erschien am 13. Juni 2024, genau sechs Monate nach ihrer Operation. Es ist ein Self-Publishing-Buch ohne Verlag. Es ist sowohl als Taschenbuch als auch E-Book auf Amazon erhältlich. Wir bedanken uns bei Cristina für ihre Zeit und wünschen ihr für die Zukunft weiterhin Gesundheit und alles Gute.

Text: Sarah Millan

Cristina bei Instagram: @chi.happy.place