Zum Jahresabschluss gibt es neue Musik für den Dezember 2022. Rap-Legende Nas hat sich ein weiteres Mal mit Producer Hit-Boy zusammengetan. Taylor Swift liefert Bedroom-Pop mit Maximal-Marketing. Und Tokio Hotel sind auf einer äußerst verwirrenden Reise durch die 2000er.
ALBUM DES MONATS
Nas – King’s Disease 3
Der Titel „Best Rapper Alive“ ist für Nas keine beiläufige Angeberei, sondern ein legitimer Thronanspruch. Wenn dem New Yorker in seiner mittlerweile 30-jährigen Karriere ein Vorwurf gemacht wurde, dann war das sein durchwachsenes Beat-Picking. Ein Makel, der durch die Zusammenarbeit mit Hit-Boy vergessen ist. Nach zwei Teilen von „King’s Disease“ und „Magic“ stellt „KD3“ bereits die vierte Zusammenarbeit der beiden Musiker seit 2020 dar. Und was soll man sagen: Dieses Duo hat seine Formel gefunden.
Mit einem so treffsicheren Produzenten im Rücken kann sich der Protagonist voll und ganz auf sein Handwerk konzentrieren. Der hat nämlich durchaus noch Interessantes zu sagen – die 49 Lenze auf dem Buckel merkt man Nas nicht an. Natürlich stellt sich ein wenig Altersmilde ein: Statt „Shoot ‘em up“ heißt es nun „Don’t shoot, Gangsta“. Sein Geld verdient er jetzt legal und der N.Y. State of Mind wird auf „Hood2Hood“ zum Gruß an alle Viertel des Landes. Für sein Heimat-Borough Queens bricht Nas aber immer noch jede Lanze, wie er auf „Thun“ unmissverständlich klarstellt. Und dabei liefert die Rap-Legende kurz vor dem 50. Geburtstag eines seiner besten Alben ab.
Bewertung: ★★★★★
Taylor Swift – Midnights
Endlich wieder ein standesgemäßer Album-Rollout. Nachdem sie ihre letzten beiden Werke (und zwei Re-Recordings) eher subtil unters Volk brachte, lässt es Taylor Swift für „Midnights“ richtig krachen. TikTok-Takeovers, Spotify-Schnitzeljagden und weltweite Plakatkampagnen, das volle Marketing-Programm eben. Beibehalten hat sie jedoch die Abkehr vom zugänglichen Radio-Pop zugunsten einer bodenständigen Bedroom-Ästhetik. Inhaltlich dreht sich das Album laut Swift um Selbsthass, Rachefantasien, Was-wäre-wenn-Szenarios sowie um das Sich-verlieben und das Sich-wieder-entlieben. Oder wie eine Twitter-Userin es formulierte: „Tief in ihrem Inneren ist Taylor Swift ein cringe millenial.“ Das ein oder andere Klischee nimmt die Sängerin bei diesem Themen-Mix selbstverständlich voll mit. Zugutehalten muss man ihr aber den Anspruch, sich trotz Superstar-Status stets künstlerisch weiterzuentwickeln. So ist „Midnights“ mit seinem LoFi-Sound auch für Nicht-Swifties durchaus ein, zwei Durchgänge wert.
Bewertung: ★★★★☆
Tokio Hotel – 2001
Okay, Folgendes: Tokio Hotel machen ein Album namens „2001“, der erste Track ist ein Remake ihres größten Hits aus dem Jahr 2005 im 80er-Discofunk-Gewand und heißt „Durch den Monsun 2020“. Das Zahlenwirrwarr komplett macht „White Lies“, ein EDM-Kracher von 2021, der bereits als Opener der vorletzten Staffel von Germany’s Next Topmodel fungierte. Abseits davon liefern die Gebrüder Kaulitz sowie Gustav und Georg (durchgängig auf Englisch) unscheinbare Dance-Pop-Songs für die H&M-Verkaufsfläche. Was schade ist, denn mit „Kings of Suburbia“ hatten die ehemaligen Teenie-Stars eigentlich schon vor acht Jahren eine deutlich eigenständigere Handschrift etabliert. So bleibt nur noch die Frage, warum Bill eigentlich nach über einem Jahrzehnt in den USA immer noch so einen starken deutschen Akzent hat.
Bewertung: ★☆☆☆☆
Text: Florian Deckert
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