Gezeiten der Gedanken

Heinz Helle - Wellen (Rezension)

Unsere Rezension zu “Wellen“ von Heinz Helle

Eine kleine Wohnung in der Schweiz, ein Schulkind, ein Neugeborenes, eine feministische Schriftstellerin zur Frau, Milchpulver, Playmobil, und dazwischen immer die eigenen Notizen: So sieht das Leben des Ich-Erzählers im Roman “Wellen“ von Heinz Helle aus. Er lässt Leser*innen an seinem Alltag als Vater, Autor, Partner, Freund und Sohn teilhaben – besonders beschäftigen ihn dabei immer wieder seine Rolle als Mann sowie sein Verhältnis zu Liebe und Gewalt, Emotion und Distanz.


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Einen wirklichen Anfang, Höhe- oder Wendepunkt der Geschichte gibt es nicht. Es sind Alltagsbeschreibungen aus dem Jahr 2020, die Pandemie ist dabei nur ein zufälliger Nebencharakter im Kopf des Erzählers. Die titelgebenden Wellen: Die verschiedenen Gemütszustände, die den Autor wie aus dem Nichts überrollen. Sei es der Zorn auf die ewig schreiende kleine Tochter. Die Sehnsucht nach einem anderen Leben in einem großen Haus im Norden, die Abscheu vor den eigenen Sexualfantasien. Oder aber die Liebe zu seiner kleinen Familie, Glücksmomente auf dem Badewannenrand, alleine in der morgendlichen Küche.

Ähnlich wie Hemingway in “Paris, ein Fest fürs Leben“ schafft Helle Vignetten aus Gedankenströmen, die eine spannende Verwebung aus seinem echten Leben und gestalterischen Mitteln bilden. Philosophische Überlegungen, Literaturhinweise, reale oder erdachte Gespräche mit Freunden und Bekannten. Die teilweise abschweifenden Absätze, willkürlichen Zeitabschnitte und Konkretisierungen ergeben selbst einen gezeitenartigen Rhythmus, in dem man sich verliert. In manche Gedankenflüsse muss man sich reindenken, andere sind eher banal. Es ergibt sich ein roter Faden aus den eigenen Worten des Autors, der über sein gerade zu Papier gebrachtes Werk nachdenkt. Dabei versucht er, eine Eingrenzung, eine Aussage und ein Ende zu finden. Ein zeitweise schweres, zeitweise leichtes, ständig reales Buch.

Heinz Helle studierte Philosophie in München und literarisches Schreiben in Biel. Hier lernte er auch seine Partnerin, die Schriftstellerin Julia Weber, kennen. Nach “Der beruhigende Klang von explodierendem Kerosin“, “Eigentlich müssten wir tanzen“ und “Die Überwindung der Schwerkraft“ ist “Wellen“ Helles vierter Roman im Suhrkamp-Verlag und erschien am 12. September 2022.

Text: Dana Wedowski