„In den letzten Monaten engagieren sich vermehrt auch junge Leute mit uns für den Frieden“

Heilbronner Friedensrat: Demonstrationen am 1. Mai 2025
Mai-Demo des Heilbronner Friedensrats am 01.05.2025

Heinz Deininger vom Heilbronner Friedensrat im Interview

1983, also vor mehr als 40 Jahren, gründete sich der Heilbronner Friedensrat. Damals war das Hauptziel der Abzug der atomaren Pershing-II-Raketen von der Waldheide. Doch Kriege und Konflikte prägen nach wie vor unsere Welt – der engagierte Einsatz für den Frieden ist also auch heute noch unverzichtbar. Wir haben mit Heinz Deininger vom Friedensrat über Vergangenheit und Gegenwart der Initiative gesprochen.

Wie der Heilbronner Friedensrat entstand

Herr Deininger, warum sind Sie im Heilbronner Friedensrat aktiv?
Ich war als Person schon immer links – und damit auch schon immer gegen Militarisierung und Aufrüstung. Diesen Widerstand hat der Friedensrat in Heilbronn und der Region öffentlich artikuliert. Deshalb bin ich dort seit Anfang an aktiv, durch die neuen Kriege verstärkt auch wieder in letzter Zeit.

Wie ist der Friedensrat ursprünglich entstanden?
In Heilbronn war speziell der starke Widerstand gegen die Stationierung der Pershing-II-Raketen ausschlaggebend. Diesen Widerstand hat der Friedensrat gebündelt, mit sehr viel öffentlichem Interesse.

Wie kann man sich die damalige Zusammensetzung des Friedensrats vorstellen?
Zum einen waren das Mitglieder der Grünen, deren eine Säule damals die Gewaltfreiheit war. Aus der Sozialdemokratie und anderen politischen Gruppen waren ebenfalls einige Leute dabei. Aber auch Menschen, die gar keiner Partei angehörten, die aber sahen, wie gefährlich diese Stationierung ist.

Haben die Initiativen aus Heilbronn in den Achtzigerjahren eine besondere Rolle innerhalb der damaligen Friedensbewegung eingenommen?
Als Stationierungsort hatte Heilbronn – neben Mutlangen – definitiv eine besondere Rolle. Deshalb waren damals auch viele Prominente, zum Beispiel Günther Grass, bei uns und haben die Bewegung unterstützt. Im März 1984 fand außerdem die große Friedensdemo im Bonner Hofgarten statt. Hier hat Heilbronn einen Sonderzug mit 1.200 Teilnehmern organisiert. Der Unfall auf der Waldheide mit drei toten amerikanischen Soldaten im Jahr 1985 verschaffte der Thematik schließlich noch einmal neue Aufmerksamkeit. Vorher hieß es nämlich von Seiten der USA, dass dort nur Übungsattrappen stationiert wären. Nach dem Unglück war jedoch klar, dass in Heilbronn tatsächlich einsatzfähige Atomraketen gelagert wurden. Und so stimmte schließlich auch erstmals der Heilbronner Gemeinderat unserer Forderung nach einem Abzug der Waffen zu.

„Beim Bundeswehrdienst geht es am Ende darum, zu töten oder getötet zu werden“

Ist die Militarisierung im Inland allgemein das Hauptanliegen des Friedensrats? Oder setzen Sie sich auch gegen globale Konflikte ein?
Die Stationierung der Raketen war ja durchaus eine internationale Angelegenheit, als Teil des NATO-Doppelbeschluss. Deshalb hatten wir auch Kontakte zu Bewegungen in anderen Ländern, zum Beispiel aus den USA. Unser Ziel war es aber, die Bundesregierung zum Abzug der Raketen zu veranlassen.

Wie steht es um den Nachwuchs – hat die Jugend Ihrer Erfahrung nach Interesse daran, sich für Frieden zu engagieren?
Es gibt natürlich viele Menschen, die schon lange im Friedensrat dabei sind. Die Familie Huber oder die 2004 verstorbene Martha Kuder haben die Aktivitäten viele Jahre wesentlich vorangetrieben. Wir haben aber vor allem in den letzten Monaten auch eine Menge junge Leute, die sich engagieren – natürlich beeinflusst durch die jüngsten Kriege, die überall auf der Welt stattfinden. Das merken wir bei Protesten und Kundgebungen, aber auch bei Veranstaltungen wie der Kino-Vorführung des Films „No Other Land“ Ende Juni. Da würde ich schätzen, dass gut 40 Prozent der Leute vor Ort unter 30 waren.

Derzeit wird zudem über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht debattiert. Hat das ebenfalls einen Effekt, gerade bei jungen Männern?
Klar, das hat eine massive Auswirkung. Die Wehrpflicht war aus guten Gründen ausgesetzt, nun wird die Bundeswehr wieder hochgerüstet. Die Propaganda der Bundeswehr erzählt zwar, dass das ein technisch interessanter Beruf ist, man viel in der Welt herumkommt und sich für seine Kameraden einsetzt. Doch vielen jungen Menschen ist trotzdem klar, dass es beim Bundeswehrdienst am Ende darum geht, zu töten oder getötet zu werden. Und wir merken, dass viele Jungs sagen: Dafür stehen wir nicht zur Verfügung. 

„Die Gesellschaft wird auch mental durchmilitarisiert“

Welche Themen beschäftigen den Heilbronner Friedensrat aktuell ganz konkret?
Das sind zwei große Themen. Einerseits der russische Überfall auf die Ukraine, den der Friedensrat sofort verurteilt hat. In diesem Kontext besorgt uns jedoch auch die sogenannte Zeitenwende, die die Sozialdemokratie zu unserem Entsetzen ausgerufen hat. Die Begründung, dass die Bundesrepublik nun massiv in die Verteidigung investieren müsse, weil Russland nach der Ukraine einen NATO-Staat angreifen würde, hält die Mehrheit im Friedensrat für Unfug. Dieses Geld fehlt im sozialen Bereich, darüber hinaus wird die Gesellschaft wird auch mental durchmilitarisiert. Das halten wir für fatal.

Und das zweite Thema?
Das ist der Krieg, den Israel seit dem Hamas-Überfall vom 7. Oktober 2023 führt. Die ewige Bombardierung und das Aushungern der Zivilbevölkerung in Gaza, die zunehmend aggressive Besatzungspolitik im Westjordanland. Im Juni 2025 folgte außerdem der völkerrechtswidrige Angriff auf den Iran. Hier fordern wir als Friedensrat, dass deutsche Waffenlieferung an Israel aufhören müssen. Und Israel muss veranlasst werden, sein völkerrechtswidriges Vorgehen in Gaza zu beenden.

Wie können sich Heilbronner*innen beteiligen, die sich nun selbst für den Frieden engagieren möchten?
Wir führen sowohl Veranstaltungen wie Kundgebungen und Infotische als auch alle vier Wochen öffentliche Sitzungen durch. Zu unseren Diskussionen in der Pizzeria Da Cicerone in Böckingen kann also jede und jeder dazukommen. Hier beraten wir, mit welchen Aktionen wir Druck auf die Straße bekommen. Einerseits, um einen Beitrag zur Beendigung von Kriegen zu leisten. Aber auch, damit nicht mehr diese gigantischen Summen in die Aufrüstung fließen. Hierzu sind also alle herzlich eingeladen: Wir sind parteipolitisch nicht gebunden und bringen eine bunte Mischung von Menschen zusammen, die sich für den Frieden einsetzen.

Interview: Florian Deckert | Fotos: Heilbronner Friedensrat

www.heilbronner-friedensrat.de


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