Die Bundesregierung hat wenige Tage nach Beginn des Krieges in der Ukraine beschlossen, ein einmaliges Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr bereitzustellen. Ist das aktuell die richtige Reaktion oder verstärkt sich dadurch die Gefahr eines neuen Wettrüstens? Und wäre so viel Geld nicht auch in anderen Bereichen abseits der Bundeswehr gut investiert? Das wollten wir diesen Monat in unserer Talkbox wissen.
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Steffi (41), Talheim
„Putins Krieg gegen die Ukraine ist ein Angriff auf Frieden, Demokratie und Freiheit in Europa. Auch wenn sich die Sicherheitslage seit dem Kriegsbeginn schlagartig verändert hat, finde ich die Investition in Höhe von 100 Milliarden Euro nicht richtig. Die Dimension dieser Aufrüstung ist unvorstellbar – mit der Summe könnte die Ernährung der Welt gute acht Jahre gesichert werden. Die Regierung verbindet die Aufrüstung mit der Angst der Menschen und angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Putins ist dies auch durchweg nachvollziehbar.
Die militärische Aufrüstung ist meiner Meinung nach jedoch keine angebrachte Maßnahme, um Frieden zu wahren. Zudem wird mit dem Geld unser Land nicht sicherer, im Gegenteil. Die Angst vor der Anwendung von Nuklearwaffen geht um. Und in einer Welt voller Atomwaffen sind es wenige Knöpfe, die auf einen Schlag die gesamte Gesellschaft vernichten. Die Investition in das Militär löst kein einziges Problem, auf gar keinen Fall den Krieg in der Ukraine und sie schafft auch keine Sicherheit für eine friedliche Welt. Die 100 Milliarden könnten meiner Meinung nach sinnvoller investiert werden und somit sehr viele andere Probleme auf dieser Welt gelöst werden.“
Sabine (32), Heilbronn
„Meiner Meinung nach ist die militärische Aufrüstung keine geeignete Maßnahme, um den Frieden zu wahren. Leider leben wir aber in keiner perfekten Welt. Denn solange es auch um politische Macht und Einfluss geht, wird man nicht drum herumkommen, auch das Militär einsatzbereit zu halten. Angesichts der aktuellen Situation scheint ein Aufrüsten wohl die einzige Möglichkeit zu sein, um im Falle des Falles reagieren zu können, um Bevölkerung und Demokratie zu schützen. Allerdings war ich erstaunt, dass kurzfristig 100 Milliarden Euro als Sondervermögen hierfür zur Verfügung stehen. In anderen Bereichen ist so eine Investition genauso notwendig, wenn nicht sogar überfällig. Jedoch glaube ich nicht, dass es dadurch zu einem neuen Wettrüsten kommt. Zumindest ist es meine Hoffnung, dass man weiterhin auf Deeskalation und Waffenstillstand in Europa setzt, um den Frieden in der Welt zu wahren. Anstatt sich darauf zu konzentrieren, ob man aus militärischer Sicht der Stärkste ist.“
Ariane (37), Lauffen
„Ja, ich finde das wichtig. Wir müssen aufzeigen, dass wir bereit sind, innerhalb der NATO unseren Beitrag zu leisten. Selbst 100 Milliarden werden kaum ausreichen um all die Versäumnisse auszubessern. Es geht hier ja nicht einmal so sehr um Aufrüstung, sondern eher darum, das bestehende wieder dienstfähig zu bekommen. Wir haben, auch moralisch, eine Verpflichtung, unsere Soldaten mit dem besten Material auszustatten, um sie bestmöglich zu schützen. Länder, die eine Weltmacht anstreben, die bereit sind über Leichen zu gehen, im wahrsten Sinne des Wortes, da hilft keine Diplomatie. Weniger helfen da auch Sanktionen, sondern eben eher militärische Abschreckung. Natürlich würde dies Folgen haben, wenn ein Wettrüsten entsteht. Man hat im Kalten Krieg gesehen wie gefährlich so etwas sehr schnell werden kann. Dessen muss man sich unbedingt bewusst sein und versuchen, die Gefahr dafür so gering wie irgend möglich zu halten.
Der Beitrag klingt ja erst mal sehr hoch, aber in der Relation – ich glaube normalerweise liegt der Etat bei ungefähr 50 Milliarden Euro, ist dieser Sonderbeitrag auch nicht mehr so gewaltig hoch. Außerdem wird er auch noch verteilt auf ein paar Jahre. Meine Sorge ist groß, dass vieles von dem Geld in dem gewaltigen Verwaltungsapparat der Bundeswehr verschwendet wird. Dies ist ein bekanntes Problem, aber ich sehe keine Anzeichen, dass es hier einen wirklichen Willen zur Verbesserung gibt. Stichworte: Unnötige Ausschreibungen, externe Berater und so weiter. Fazit: 100 Milliarden sind angemessen, es ist aber wichtig zu beobachten, ob dieses Geld auch wirklich bei der Truppe ankommt.“
Ibrahim (41), Heilbronn
„Der aktuelle Krieg sorgte für ein Umdenken im Verteidigungsausschuss des Bundestages. So wird in der Bundesregierung über die Umsetzung eines Sonderbudgets von 100 Milliarden Euro für die Neuaufrüstung der Bundeswehr verhandelt. Diese militärische Aufrüstung wäre mit einem Umdenken der Kriegskultur in Deutschland verbunden. Seit dem Zweiten Weltkrieg und der menschenverachtenden Verbrechen in der deutschen Geschichte dient das Militär ganz bewusst nicht mehr dazu, Kriege durchzuführen.
Ich befürchte stark, dass die Umsetzung dieses Sonderbudgets fatale Folgen für den Frieden in Europa und vor allem in Deutschland haben kann. Zudem ist dieser Schritt mit einer Grundgesetzänderung verbunden. Eine Investition über 100 Milliarden Euro für eine militärische Aufrüstung sendet das Signal der „Kampfbereitschaft“ des deutschen Militärs und macht das Plädieren für Frieden unglaubhaft. Die Flucht nach Deutschland sind Auswirkungen solcher Kriege. Die gegenwärtige Debatte zeigt allerdings eindeutig, dass Unterschiede gemacht werden in den Willkommenskampagnen für Geflüchtete. Es wäre daher sinnvoller, eine so hohe Summe von Geldern in die Ressorts aufzuteilen, die eine Gesellschaft ausmachen. Nämlich Bildung, Antidiskriminierungsarbeit und Gesundheit.“
Umfrage: Saban Camili
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