„Was erlaubt ist, ist nicht gleich moralisch vertretbar“

Instagram - anti.influenza (Interview)
Die Macher hinter @anti.influenza im Interview

Seit gut einem Jahr tritt ein anonymes Team aus Heilbronn mit einem eigenen Instagram-Account an, um unverantwortliche Influencer*innen bloßzustellen. Von retuschierten Beauty-Bildern über unseriöse Finanztipps bis hin zu Corona-Leugner*innen und rechter Hetze nehmen sich die Leute von anti.influenza alles vor, was unter das Label „Instamüll“ fällt. Wir wollten wissen, was sie antreibt und wie sie arbeiten.


Wer steckt eigentlich hinter „anti.influenza“? Wollt ihr euch mal kurz vorstellen?
Stand jetzt möchten wir noch keine Angaben zu unserer Person machen. Nennt uns doch einfach Meister Yoda und Darth Vader.

Wie wird man Influencer-Kritiker?

Wie ist eure Instagram-Seite entstanden? Gab es da einen bestimmten Influencer-Post, bei dem ihr gesagt habt: „Jetzt reicht’s“?
Ja, den gab es tatsächlich! Wir hatten einen Post von tessa_hvl sehr verstörend gefunden! Während der Coronapandemie eine Geburtstagsparty mit mehreren dutzend Leuten zu feiern und das dann auch noch öffentlich zu präsentieren, das geht gar nicht. Wir haben Sie angeschrieben und eine heiße Diskussion mit ihr geführt. Das Ergebnis haben wir dann öffentlich auf unsrem Profil zur Schau gestellt, wo Oliver Pocher auf uns aufmerksam wurde und gerepostet hat. Der Rest ist Geschichte. 

Wenn man sich durch euren Feed klickt, scheint es bei Influencern eine klare Geschlechtertrennung zu geben: Frauen sind für unrealistische Schönheitsideale zuständig, Männer für halbgare Finanztipps und Corona-Geschwurbel. Warum sieht man bei euch eigentlich keine Typen, die sich als Möchtegernmodel geben – oder Mädels, die mit dämlichen Businesstipps ankommen?
Doch, die gibt es schon, jedoch lassen die sich nicht so einfach aus der Reserve locken. Unser Modus Operandi ist folgender: Wir suchen uns gezielt Kandidaten aus, beziehungsweise erhalten wir auch Vorschläge von unseren Fans. Dann wird erst einmal das Profil gecheckt. Finden wir mehr als 70 Prozent sogenannten „Instamüll“ vor, wird kommentiert und versucht, per Nachricht die Influencer über ihr Treiben zu belehren. Das geschieht dann entweder über den sanften Weg wie bei Meister Yoda. Oder eben mit Hilfe der dunklen Seite der Macht wie bei Darth Vader.

Mehr Nachhaltigkeit im Netz als Ziel

Wie reagieren die Leute, wenn ihr sie kontaktiert? Gibt es in der Diskussion dann auch sowas wie Einsicht, so dass sich was an deren Content ändert?
Meist werden wir gesperrt, was ein Zeichen fehlender Kritikfähigkeit und mangelnder Intelligenz ist. Manche aber sind auch einfach nur egozentrisch und empathielos. Wir möchten damit nicht sagen, dass alle Influencer per se dumm sind, jedoch ist hier ein roter Faden zu erkennen. Liegt aber wohl an unserem Beuteschema. Tatsächlich gibt es auch Ausnahmen, wo wir wirklich sachliche Diskussionen führen und Content geändert oder gar komplett gelöscht wurde. Trotzdem ist es ein fast aussichtsloser Kampf, dem wir uns dennoch gerne stellen!

Laut eurer Bio setzt ihr euch ja für „für mehr Nachhaltigkeit und Qualität im Netz“ ein. Was kann man sich genau darunter vorstellen? Habt ihr konkrete Ziele, die ihr mit „anti.influenza“ anstoßen wollt?
Influencer haben für uns eine ganz klare Vorbildfunktion. Dieser werden die wenigsten gerecht! Des Weiteren verdienen die meisten von unseren „Opfern“ richtig viel Geld. Wo kommt das her? Entweder über Kooperationen mit Unternehmen, die sich Verkäufe durch deren Posts erhoffen. In anderen Fällen, aus unserer Sicht viel verwerflicher, wenn Fans Geld in die Hand nehmen und bei sogenannten Finanzgurus, die einem das Blaue vom Himmel versprechen, investieren oder dergleichen.

Meist handelt es sich um minderwertige Produkte, schlechte Beratung in puncto Finanzen oder Follower werden zu Dingen animiert, die mit gesundem Menschenverstand nichts mehr zu tun haben. All dem wollen wir einen Riegel vorschieben, indem wir die Protagonisten auf ihr Fehlverhalten aufmerksam machen. Was erlaubt ist, ist nicht gleich moralisch vertretbar. 

Werden Influencer-Kritiker selbst zu Influencern?

Woher kommen eure Bilder eigentlich? Sind das alles von euch erstellte Motive oder repostet ihr auch bestehenden Content, den ihr findet?
Sowohl als auch, jedoch sind mehr als 50 Prozent eigener Content. Wir stehen im stetigen Austausch und arbeiten nach einem Redeaktionsplan. Es werden Inhalte besprochen, Postings terminiert und Themen für die Woche geplant. Viel Zeit verbringen wir auch mit der Recherche und dem Sichten von verwertbarem Material. 

Euer Account anti.influenza besteht jetzt seit knapp einem Jahr und ihr pflegt ihn relativ regelmäßig. Läuft man irgendwann eigentlich Gefahr, dass man da – ähnlich wie Influencer – einen gewissen Ehrgeiz hinsichtlich Reichweite und Interaktionen entwickelt?
Ja und genau das ist das Ziel! Reichweite erhöhen, Follower generieren um das Machtverhältnis auszugleichen. Wir kämpfen für die helle Seite der Macht. Wir setzen dabei nicht nur auf unseren Kanal, sondern versuchen Influencer umzudrehen. Gemeinsam aufzuklären und um die sozialen Medien zu einem besseren Ort zu machen. Das ist unsere Maxime! Jeder einzelne zählt und wenn wir auch nur einen bekehren können, dann ist das für uns ein großer Erfolg.


[FD]