Fake News, Social Bots, Big Data – das Internet und insbesondere die sozialen Medien sind inzwischen feste Bestandteile der politischen Wahlprozesse. Aber haben diese Phänomene auch tatsächlich Auswirkungen auf die Wahl? Dieser Frage ging Dr. Jan-Hinrik Schmidt beim Webinar „Politische Kommunikation und Wahlkampf im Netz“ an der VHS Heilbronn nach. Wir hatten vorher die Gelegenheit, mit ihm über Facebook, Fake News und Filterblasen zu sprechen.
Die sozialen Medien waren ein wichtiges Instrument im US-Wahlkampf 2016, auch in Deutschland wurde viel darüber diskutiert. Die Aufmerksamkeit für die Bundestagswahl 2017 und ihre Politiker fällt im Vergleich deutlich geringer aus. Woran liegt das?
Das hat verschiedene Gründe. Wir haben natürlich Personen oder Politiker, die soziale Medien ähnlich nutzen wie Donald Trump. Ich denke da beispielsweise an die AfD oder die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach. Diese Leute nutzen die sozialen Medien, um ihre Agenda an den etablierten Medien vorbei zu senden. Hier gibt es aber zwei große Unterschiede. Erstens haben Politiker in Deutschland nicht die gleiche Reichweite auf Twitter wie ein Donald Trump. Natürlich gibt es auch bei uns eine gewisse Medienaufmerksamkeit für Tweets von Kandidierenden, etwa wann Shitstorms oder Widersprüche der User folgen. Das ist die Struktur der neuen Öffentlichkeit. Allerdings ist unser Mediensystem, zweitens, anders geprägt als das in den USA. Bei uns gibt es starke öffentlich-rechtliche Medien, die nicht kommerziell sind, zudem haben wir ein relativ breites Spektrum an etablierten Printmedien mit angeschlossenen Online-Plattformen. Dadurch ergibt sich der zweite Unterschied: hierzulande kann man sich vom Mediensystem nicht loslösen, weshalb sich eine Figur wie Donald Trump in Deutschland nicht so einfach durchsetzen kann.
Haben das Netz und soziale Medien Einfluss auf die Themen, die Parteien Bundestagswahlkampf ansprechen?
Das Internet gehört mittlerweile auf jeden Fall zum Standartrepertoire der Parteien, dieses Jahr werden soziale Medien von deutschen Politikern noch selbstverständlicher genutzt als 2013. Natürlich messen Parteien hierbei auch ihre Reichweite, allerdings ist die Verbindung zwischen Inhalten und Klicks nicht so stark wie beispielsweise bei einem Onlinemedium. Man hält sich auch hier an Best-Practice-Standards für Facebook, Twitter, Instagram oder YouTube, in erster Linie konzentriert man sich aber auf die eigenen Anhänger als Multiplikatoren. Diese teilen die Inhalte und sorgen so für eine Verbreitung in den sozialen Medien.
Der Kurs an der VHS Heilbronn soll unter anderem auch helfen, Manipulationsversuche im Online-Wahlkampf zu erkennen. Gibt es dahingehend in Deutschland schon Anzeichen, dass so etwas stattfindet?
Mir selbst ist das bisher nur aus der Berichterstattung bekannt. Es gibt ja Befürchtungen, dass es irgendwann im Zuge der Wahl zu gesteuerten Leaks kommt, die zum Beispiel Daten aus dem Bundestags-Hack von 2015 verbreiten. Ausserdem sehen wir im alltäglichen Rauschen der sozialen Medien immer wieder „Fake News“, auch wenn man genauer definieren müsste, was man überhaupt unter dem Begriff versteht. Da gibt es einerseits die politische Propaganda, bei der einfach bestimmte Positionen weggelassen werden, um den eigenen Standpunkt möglichst positiv darzustellen. Andererseits findet man auch gezielte Falschmeldungen, bei denen ganz bewusst getäuscht wird. Hier stehen aber in erster Linie die Klicks im Vordergrund, da die Urheber auf eigene Websites verlinken und durch Online-Anzeigen ganz einfach Geld verdienen wollen.
Kann man generell sagen, wer die Urheber der „Fake News“ mit politischer Propaganda sind?
Ich vermute, dass es nicht die Parteien selbst sind, sondern eher Leute aus dem weiteren Unterstützerfeld. Verstärkt findet man das im rechtspopulistischen bis rechtsextremen Bereich, hier existieren sogenannte Echokammern oder Filterblasen. Dazu gehört, dass Meldungen oder Nachrichten fabriziert werden, beispielsweise so etwas im Sinne von „Flüchtlinge dürfen im Supermarkt umsonst einkaufen“. Es werden also Tatsachen verdreht oder komplett erfunden Dinge reingepackt und im eigenen Netzwerk weiterverbreitet.
Hat das Phänomen der Fake News einen Einfluss auf die Bundestagswahl 2017, kann man das schon einschätzen?
Das Phänomen bringt eine neue Komponente in die Medienlandschaft. Ich glaube allerdings nicht, dass Fake News oder auch Echokammern die Wahl entscheidend beeinflussen werden. Das liegt ganz einfach daran, dass wir natürlich nicht so eine zugespitzte Situation wie beispielsweise beim Brexit haben. Wenn es eine Partei tatsächlich schaffen sollte, von Fake News zu profitieren, würde sich das deshalb trotzdem nicht im höheren Prozentwert auf Bundesebene auswirken. Der Anteil an Usern, die soziale Medien als einzige Nachrichtenquelle nutzen, ist einfach verschwindend gering. Daher ist die Vorstellung, dass Fake News die Bundestagswahl beeinflussen völlig überzogen. Was nicht heißt, dass es okay ist – es entspricht nur nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Also könnte man solche Thesen in den Medien aus wissenschaftlicher Sicht im Prinzip selbst als „Fake News“ bezeichnen?
(lacht) Gewissermaßen. Das Problem ist, dass es wissenschaftlich fast gar nicht richtig zu ermitteln ist, welchen Einfluss dieses Phänomen tatsächlich hat. Ich müsste ja feststellen können, ob sich die Parteipräferenz auf Grund bestimmter Fake-News geändert hat, was einfach total schwer ist. Sowas geht in der Medienwirkungsforschung vielleicht bei einem Spendenaufruf im Fernsehen, wenn ich sehe, dass da nach der Ausstrahlung etwas passiert. Aber schon allein bei Wahlwerbespots wird es wieder schwierig. Wenn jemand beispielsweise drei Spots gesehen hat, an welchem lag es denn jetzt? Letztlich haben Fake News sicherlich genauso einen gewissen Einfluss wie andere Formen von Nachrichten, weil sich die Leute mit anderen Menschen austauschen oder einfach beobachten, wie andere sich zu bestimmten Themen austauschen. Eindeutig identifizierbare kausale Effekte gibt es aber in diesem Sinne nicht. Wenn ich als Wissenschaftler in den Medien auftauchen möchte, könnte ich jetzt natürlich mein Institut beauftragen, eine Pressemitteilung mit der Aussage „Algorithmen und Bots werden die Wahl entscheiden“ zu veröffentlichen (lacht). Das wäre aber extrem zugespitzt und würde einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht standhalten. Ich würde daher eher sagen, dass die politische Kommunikation in den sozialen Medien einen Einfluss hat, aber nicht entscheidend für die Wahl ist.
[FD]
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