Intelligentes Kino mit bösem Humor in „Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“
„Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“ ist der neuste Film des rumänischen Regisseurs Radu Jude. Mit seinen bisherigen Werken konnte er bereits auf verschiedenen Filmfestivals für Aufsehen sorgen. Insbesondere „Bad Luck Banging or Loony Porn“ wurde von zahlreichen Kritikern als Meisterwerk gefeiert.
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Im Fokus seines neusten Films steht Angela, eine Produktionsassistentin in Bukarest. Auftraggeber für ihren Arbeitgeber sind zumeist Kunden aus dem EU-Ausland. Für eine österreichische Möbelfirma soll Angela verschiedene ehemalige Angestellte interviewen und mit dem „besten“ Kandidaten einen Sicherheitsfilm drehen. Jeder dieser Mitarbeiter ist durch einen Arbeitsunfall arbeitsunfähig geworden. Die Firma weist jede Schuld von sich, mehr und mehr kristallisieren sich jedoch die schlechten Arbeitsbedingungen heraus.
Im ersten Drittel des Films sieht man Angela rastlos durch den Verkehr von Bukarest fahren, die Musik dröhnt in ihrem Auto und vorbeifahrende Männer schreien sexistische Beschimpfungen. Die Kamera bleibt dicht an der Protagonistin und zeigt ihren Arbeitsalltag und ihr Leben. Dabei entfaltet der Film einen außergewöhnlichen Sog, je länger der scheinbar niemals endende Arbeitstag von Angela geht. Die Dialoge handeln von der Geschichte Rumäniens, vom Ukrainekrieg, der Ausgrenzung der Sinti und Roma im Land und besonders von der Ausbeutung Rumäniens durch die anderen EU-Länder.
Während österreichische und deutsche Firmen Rekordgewinne verzeichnen, arbeiten die Menschen für diese in 18-Stunden-Schichten zu Billiglöhnen ohne bezahlte Überstunden. Es wird ein düsteres Bild des Spätkapitalismus entworfen, in dem es in Rumänien fast nur Verlierer zu geben scheint. Außerdem filmt sich Angela in jeder kleinen Pause mit Andrew-Tate-Filter für Instagram. Dabei spricht sie eben jene misogynen und menschverachtenden Dinge in die Kamera, mit denen der Influencer bekannt geworden ist. Für Angela ein Ventil zur satirischen Auseinandersetzung. Für Zuschauer*innen traurige Gewissheit, dass solche Aussagen erstgemeint über soziale Medien in die Welt geschrien werden.
„Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“ ist unbequem, sperrig, laut und komplex. Jeder Dialog und jede Szene sind vollgepackt mit Ideen und kleinen Anspielungen. Intelligentes Kino mit einem bösen Humor, dass sich dennoch nicht über seine Protagonisten lustig macht. Lösungsansätze oder eine Aussicht aus Besserung gibt es im Film allerdings nicht. Vielleicht ist dies wirklich das Ende der Welt. Seit 3. Mai 2024 auf Mubi zu streamen.
Text: Kai Möller | Bilder: Mubi
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