„Dieses ganze Thema ‚Rechts‘ war eigentlich immer präsent.“

Interview - Rechtsextremismus Bundeswehr (1)

Ein ehemaliger Bundeswehrsoldat spricht über rechte Tendenzen innerhalb der Truppe

Immer mehr Fälle von Rechtsextremismus innerhalb der Bundeswehr sind in den letzten Monaten und Jahren an die Öffentlichkeit gekommen. Teilweise haben sich diese Strukturen über Jahre hinweg entwickelt und verfestigt. Als Konsequenz stehen Einheiten wie das Kommando Spezialkräfte (KSK) unter strenger Beobachtung, der Militärische Abschirmdienst spricht sogar von einer neuen Dimension des Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Aber hätten diese Entwicklungen nicht schon viel früher auffallen müssen? Wir haben mit Bastian* darüber gesprochen, der insgesamt vier Jahre bei der Bundeswehr verbracht hat – von 2007 bis 2010. Nach seinem Grundwehrdienst verpflichtete sich der heute Anfang 30-jährige als Zeitsoldat, unter anderem hat Bastian dabei auch zwei humanitäre Auslandseinsätze im Kosovo absolviert.

* Der Name des Protagonisten wurde von der Redaktion geändert. Sein echter Name sowie Details zum Dienstverlauf sind der Redaktion bekannt. Bestimmte Aussagen in diesem Interview wurden außerdem durch private Fotoaufnahmen belegt.


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Hast du während deiner Laufbahn in der Bundeswehr Erfahrungen mit Rassismus oder Rechtsextremismus gemacht?
Ja, auf jeden Fall. Schon während der Grundausbildung. Ich würde sagen, dass ein ziemlich großer Teil der Auszubildenden irgendwie rechte Einstellungen hatte.

Was heißt „ein ziemlich großer Teil“?
Ich würde sagen das Verhältnis war so 40 zu 60. 40 Prozent normale Leute und 60 Prozent einfach hängengebliebene Deutsche mit einer entsprechend rechten Gesinnung.

Wie hat sich das geäußert?
Das ging eigentlich schon damit los, dass eben abends in der Kaserne sobald die Stubentüren zu waren Bier getrunken wurde und Rechtsrock lief. Da gab es auch einen ziemlich krassen Fall, von dem ich gehört habe. Ein Kollege bei uns in der Kaserne hat wohl einen der Ausbilder wiedererkannt – als Gitarristen einer Rechtsrockband. Der hatte angeblich sogar ein Hakenkreuz-Tattoo auf der Brust. Das wurde gemeldet, aber der Ausbilder konnte scheinbar glaubhaft versichern, dass er sich von der rechten Szene abgewandt hat und durfte bleiben. Der Kollege wurde allerdings in eine andere Kompanie versetzt. Diese ganzen Vorfälle während der Grundausbildung haben auch dafür gesorgt, dass ich in den ersten Monaten sehr mit mir gerungen haben, überhaupt weiterzumachen.

Du hast dich aber dazu entschieden, zu bleiben. Warum?
Aus persönlichen Gründen. So ein bisschen Erziehung und allgemein der Fokus auf Disziplin bei der Bundeswehr haben mir schon ganz gutgetan. Außerdem hat mir Zusammenhalt untereinander gefallen.

„Ein bisschen Erziehung und Disziplin bei der Bundeswehr haben mir schon ganz gutgetan.“

Obwohl es da schon früh diese Vorkommnisse gab?
Ja. Mich selbst hast du aber nie auf so einer Bude gesehen, wenn die da angefangen haben, irgendwelche rechte Musik zu hören. Mit Sicherheit nicht. Ich habe dann lieber mit ein paar Jungs die Kaserne verlassen, um irgendwo fernab davon was zu unternehmen.

Nach deinem Grundwehrdienst hast du dich als Soldat auf Zeit verpflichten lassen und noch mehrere Jahre bei der Bundeswehr gedient. Gab es dann weitere Vorfälle von Rassismus?
Dieses ganze Thema „Rechts“ war eigentlich immer präsent. Später wurden häufig so dämliche Witze gemacht oder auch von manchen Leuten untereinander der Hitlergruß gezeigt. Wahrscheinlich als Scherz gemeint, aber trotzdem komplett beschissen. Von den rechts eingestellten Idioten kamen dann hinter vorgehaltener Hand auch so Sprüche in die Richtung „Scheiß Türken, scheiß Russen“ über Kollegen, die eben diesen Migrationshintergrund haben. Die Typen waren der Meinung, dass man da in der „deutschen Kultur“ unter sich sein sollte.

Interview - Rechtsextremismus Bundeswehr (4)
Interview - Rechtsextremismus Bundeswehr (2)

Was für ein Standing haben Menschen in der Bundeswehr, die beispielsweise einen Migrationshintergrund oder eine andere Religion haben?
Generell geht das eigentlich in die Richtung: Leben und leben lassen. Also offensiv wird da jemand wegen seiner Herkunft nicht dumm angemacht. Es gab aber auch mal einen Fall, da ist ein Kamerad – ich vermute, dass er Inder war – mit einem weißen Turban in die Cafeteria gekommen. Also komplett in Uniform, aber statt der Mütze eben dieser Turban. Ich denke, dass er Sikh war. Da haben sich wieder einige untereinander drüber aufgeregt, teilweise tagelang. Von wegen, „So ein Arschloch, was der sich hier in Deutschland erlaubt“. Ich finde aber, dass er doch gerade dadurch Größe zeigt. Er steht sowohl hinter seiner Religion als auch hinter dem deutschen Militär. Das trägt ja auch zur Integrität der Bundeswehr bei.

Hast du in solchen Fällen dann auch mal was gesagt gegenüber Leuten, die solche Kommentare abgeben?
Nicht direkt. In der Grundausbildung hast du Gruppen, die nur relativ kurz zusammen sind und dann wieder gesplittet werden. Da kannst du dir auch nicht so schnell ein Bild über die Leute machen. Sind die jetzt wirklich rechts oder sind das einfach nur Dummschwätzer und Mitläufer? Sowas will ich schon wissen, bevor ich mir da jemanden zur Seite nehmen würde.

Gingen solche Sachen nur von anderen Auszubildenden aus oder gab es auch Vorfälle mit Vorgesetzten?
Als ich im Kosovo war, habe ich mal zwei Vorgesetzte abends zu einer Art „Poolparty“ bei einer anderen Kompanie gefahren. Die waren auf dem Rückweg natürlich richtig besoffen und haben dann angefangen, bei der Durchfahrt in einer Stadt richtig ekelhafte Sachen aus dem Auto zu grölen. Also eindeutig rechts und definitiv rassistisch. Dabei waren das eigentlich echt gute Jungs. Aber da wollte ich einfach nur schnell zurück zu unserem Stützpunkt.

Interview - Rechtsextremismus Bundeswehr (3)

Gibt es Gegebenheiten aus deiner Zeit, bei denen du dir jetzt wünschst, dass du anders reagiert hättest?
Es gab da einen Vorfall in der Grundausbildung, den ich im Nachhinein echt bereue. Wir hatten einen Typen, der eher links orientiert war. Lange Haare – die ihm natürlich irgendwann abgeschnitten wurden – und ein bisschen verpeilt. Ein guter Typ, aber nicht wirklich „militärisch tauglich“, wie man so sagt. Der hatte auch öfter mal Stress mit den Vorgesetzten, weil er zu spät zum Antreten gekommen ist.

„Dass ich damals nicht eingeschritten bin geht mir bis heute nach.“

Irgendwann war ich mal in der Gemeinschaftsdusche, er war auch da und plötzlich sind da sechs, sieben Leute rein. Die haben mir dann gesagt, ich soll doch kurz mal verschwinden. Was ich auch gemacht habe. Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber ich glaube, die haben ihn dann mit in Handtücher eingewickelten Seifenstücken verhauen. Wie im Film. Dass ich damals nicht eingeschritten bin geht mir bis heute nach. Da denke ich mir immer noch: „Boah, da hätte ich doch was machen müssen.“

Sind die Leute, die rechte Tendenzen bei der Bundeswehr ausleben, schon vorher so eingestellt oder gibt es innerhalb des Systems auch Voraussetzungen, die sowas begünstigen?
Bei uns war es erst mal so, dass wir zu über 80 Prozent Männer in der Kaserne hatten. Und so ein Männerverein ist schon mal ein gutes Umfeld für Leute mit solchen Einstellungen. Da wird praktisch pausenlos über Krieg geredet, alles dreht sich um Waffen, dazu eine gewisse Überheblichkeit, weil du jetzt Soldat bist. Und es entsteht so eine Art Cliquen-Denken, man sieht sich selbst als Team und muss sich ja auch irgendwo aufeinander verlassen können. In so einer eingeschworenen Gemeinschaft trifft das wahrscheinlich nicht so sehr auf Widerspruch, wenn einer eine rechte Gesinnung hat.

Was denkst du dir jetzt, wenn du von Fällen wie den rechtsextremen Umtrieben innerhalb des KSK hörst oder von ehemaligen Bundeswehrsoldaten, die rechtsextrem motivierte Anschläge geplant haben?
Was das KSK angeht überrascht mich das nicht wirklich. Ich kenne ein paar von den Jungs aus Calw (Standort des Kommando Spezialkräfte, Anm. d. Red) und ich sage mal so: Die Waffenpräsenz ist dort sehr hoch. Also im privaten Bereich. Und da hängen teilweise ziemlich eindeutige Symbole bei denen rum. Das ist zwar nur mein begrenzter Eindruck, aber darauf bezogen überraschen mich diese Meldungen über das KSK nicht. Für Leute mit so einem eindeutig rechtsextremen Bezug ist dieses Faible für die Nazizeit vielleicht auch ein Grund, zum Militär zu gehen. Eine starke, große Gruppe, Matsch, Zusammenhalt, Waffen… das passt schon ganz gut ins Bild.

Für Leute mit eindeutig rechtsextremen Bezug ist dieses Faible für die Nazizeit vielleicht auch ein Grund, zum Militär zu gehen.

Aber gerade bei Spezialeinheiten wie dem KSK ist das ja hochgefährlich. Wahrscheinlich noch mehr als bei normalen Bundeswehr-Soldaten.
Ja. Man sollte auch meinen, dass Leute in einer Eliteeinheit diese primitiven rechten Denkmuster durchschaut haben müssten. Und auf die Bundeswehr selbst wirft das natürlich auch kein gutes Licht, wenn du solche Typen in deinen Reihen hast. Rechte müssen da raus, ohne Wenn und Aber.

Sorgt dieser Zusammenhalt, den du angesprochen hast, auch dafür, dass diese Umtriebe eher nicht gemeldet werden?
Klar. Da ist der Zusammenhalt in der Gruppe wahrscheinlich sogar größer als die Differenzen untereinander. Sachen wie andere Nationalitäten oder sowas spielen in dem Fall keine große Rolle, man verpfeift sich halt nicht. Und die Bundeswehr selbst achtet natürlich auf ihren Ruf. Da wird sowas schon mal gedeckt, weil keine Kaserne oder Kompanie ihren Namen in der Zeitung lesen will.

Was für Maßnahmen sollte es deiner Meinung nach geben, um rechtsextremen Entwicklungen in der Bundeswehr effektiv entgegenzuwirken?
Es müsste auf jeden Fall die Möglichkeit geben, rechte Umtriebe anonym zu melden. Aber ein Problem ist natürlich auch, dass Soldaten ja quasi „Zivilisten in Uniform“ sind. Wenn es schon vorher gewisse Tendenzen bei Menschen gibt, die dann in die Bundeswehr eintreten, ist es klar, dass rechte Gruppierungen innerhalb der Truppe entstehen. Deshalb müsste man die psychologischen Fragen zur Eignung für den Dienst an der Waffe noch stärker auf sowas richten und das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Außerdem mehr über fremde Kulturen aufklären, anstatt noch mehr Hass zu schüren. Ich habe beim Militär unglaubliches Videomaterial zugespielt bekommen, von vielen Nationen…

„Es müsste auf jeden Fall die Möglichkeit geben, rechte Umtriebe anonym zu melden.“

Ich persönlich habe das Gefühl, dass auch beim Militär sowie bei rechtsextremen Gruppierungen der geschnürte Hass auf eine bestimmte Kultur oder Minderheit das gemeinsame Problem ist. So war es auch beim Bund. Viel zu wenig Aufklärung über die Kultur des „Feindes“, stattdessen immer nur heftiges Video- und Fotomaterial, was sie uns antun. Ähnliches gab es auch bei Check-Point-Übungen, so einer Art Rollenspiel. Da werden gewisse Kulturen total extrem dargestellt, als würde es immer gleich eskalieren, obwohl in der Realität der Großteil dieser Check-Point-Kontrollen ohne irgendwelche Zwischenfälle abläuft. Aber die Sensibilität für solche Themen kam da einfach zu kurz.

[FD]