Babo – Die Haftbefehl-Story
„Babo“ ist gerade in aller Munde. Die Netflix-Dokumentation von Sinan Sevin Sevinç und Juan Moreno über den Rapper Haftbefehl wirft einen schonungslosen Blick auf dessen Drogenabhängigkeit. Doch ist dabei auch ein guter Dokumentarfilm herausgekommen?
Die Dokumentation setzt es sich zur Aufgabe, zum einen die Jugend von Aykut Anhan zu erzählen und zum anderen den heutigen Rapper Haftbefehl über ungefähr zwei Jahre mit der Kamera zu begleiten. Während der Dreharbeiten erlebt der allerdings einen vollständigen Absturz in die Drogensucht. Und die Kamera hält weiter drauf. Die Macher konzentrieren sich in ihrem Film auf ein festes Narrativ. Der frühe Selbstmord des Vaters, die folgende Drogenproblematik, die Musik, dann der Absturz. Die Rückblenden sind dabei nachgestellte Szenen, die teilweise so künstlich aussehen, sie hätten auch von einer KI generiert worden sein.

Dabei reduziert die Doku Haftbefehls Geschichte auf rein persönliche Schicksalsschläge. Problematiken wie strukturellen Rassismus schneidet sie nur kurz für ein paar Sekunden an. Abgesehen von seiner Familie, seinem Fahrer und Produzent Bazzazian wirken viele Interviewpartner austauschbar und tragen im Grunde nichts bei. Gerade die Vertreter der Musikindustrie betreiben in erster Linie eigene Imagepflege und behaupten dabei, stets nur das Beste für Haftbefehl zu wollen. Die Maschinerie dahinter wird jedoch in keiner Weise hinterfragt. Statt Verantwortung zu übernehmen, verdient die Industrie bis zum endgültigen Zusammenbruch des Künstlers weiter. Dieser Zusammenbruch ist schlimm anzusehen, die gezeigten Bilder verfolgen einen nachhaltig. Und Haftbefehl betont selbst, er wollte, dass alles so gezeigt wird. Doch wie rational kann ein Mensch entscheiden, der mental so am Abgrund steht?

Hier wird schwer zu ertragender Voyeurismus betrieben, der auch das Interesse von Menschen weckt, die sonst nichts mit dem Rapper anfangen können. Statt einer differenzierten Auseinandersetzung mit Haftbefehls Leben, Werk und seiner Sucht präsentiert die Dokumentation ein Portrait mit Netflix-Weichspüler. Mehrere Stimmen wiederholen oberflächlich, wie großartig bestimmte Lieder sind. Auf die Themen von Haftbefehls Texten wie Rassismus, gescheiterte Integration und soziale Ausgrenzung geht hingegen niemand tiefer ein.
„Babo – Die Haftbefehl-Story“ gibt Authentizität vor, verwandelt sie aber in ein Produkt. Die Doku vermarktet genau das, was sie eigentlich hinterfragen möchte: die Echtheit, das Leid und den Zerfall eines Menschen. Statt kritisch zu analysieren, hält sie einfach drauf. Die gezeigten Aufnahmen sind extrem hart und Haftbefehl ist für diese Offenheit zu respektieren. Er hätte es aber verdient, dass jemand mit mehr Feingefühl diese Dokumentation macht. So ist ein Film entstanden, der in jeder Hinsicht fürchterlich ist.
Text: Kai Möller | Bilder: Netflix












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