„Mein Wunsch ist, dass Bildung vom Kind aus gedacht wird“

Nadine Stark, Geschäftsführerin der IZB Heilbronn
Foto: Manuela Wolf (IZB)

Nadine Stark von der Initiative Zukunftsbildung (IZB) im Interview

Wie müssen wir Bildung gestalten, um Kinder bestmöglich auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten? Dieser Frage widmet sich die Initiative Zukunftsbildung, eine gemeinnützige GmbH aus Heilbronn. Geschäftsführerin Nadine Stark hat viele Jahre für die Diakonische Jugendhilfe in der Region Heilbronn gearbeitet und kennt Probleme aus der Praxis. Im Interview erklärt sie, wie Kitas und Grundschulen ein innovatives Reallabor bilden – und was sie sich selbst für die Bildung der Zukunft wünscht.

Wie sieht gute Bildung im 21. Jahrhundert aus?

Sie sind seit 2024 Geschäftsführerin der Initiative Zukunftsbildung. Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?
Kinder im Fokus, Bildung im Wandel. Diese Leitsätze der Initiative Zukunftsbildung haben mich vom ersten Lesen an gefangen genommen. Als Mutter eines mittlerweile neun Jahre alten Kindes und als geborene Heilbronnerin war für mich klar: Dazu möchte ich beitragen, denn Kinder sind unsere Zukunft. Und dann ging alles ganz schnell… 

Gibt es bestimmte Baustellen oder wiederkehrende Probleme in der frühen Bildung, die Ihnen schon während Ihrer Tätigkeit bei der Diakonischen Jugendhilfe aufgefallen sind – und die Sie nun angehen möchten?
In meiner Tätigkeit bei der Diakonischen Jugendhilfe ist mir immer wieder vor Augen geführt worden, dass in Deutschland die Herkunft den Lebensweg bestimmt. Unser Bildungssystem schafft es bislang nicht, das aufzulösen. Kita und Grundschule sind die wichtigsten Bildungsorte, um Bildungsgerechtigkeit zu erreichen. Deshalb ist es mir ein persönliches Anliegen, dass wir hier anpacken und mit innovativen Konzepten alle Kinder für ihr Leben in einer Welt im Wandel zu stärken.  

Heilbronner Kitas und Grundschulen als Reallabor

Ein wichtiges Ziel der IZB ist es, die „entscheidenden Kompetenzen für das 21. Jahrhundert“ in der frühen Bildung zu stärken. Was sind das für Kompetenzen?
Wenn wir in die Zukunft schauen, dann ist vor allem eins klar: Unsere Welt wird schneller anders und anders anders. Deshalb stellen wir uns vor allem die Frage: Was brauchen Kinder, um diese Welt im Wandel gestalten zu können? Aus unserer Sicht müssen sie mit sich und mit anderen verantwortungsvoll umgehen, sie müssen das Gefühl erleben „ich kann“, um sich als selbstwirksam zu erleben. Aus diesen großen Leitlinien ergeben sich weitere Kompetenzen, die wir in unserer Vision ab Anfang April detailliert vorstellen.  

Zu Beginn des Schuljahres 2025/26 wird die Region Heilbronn zum Reallaborstandort. Wie kann man sich das vorstellen?
Ein Reallaborstandort besteht aus 15 Kitas und 15 Grundschulen sowie einem Büro der Initiative Zukunftsbildung. Gemeinsam mit diesen Kitas und Grundschulen machen wir uns auf eine Reise in Richtung Zukunftsbildung. Die Praktiker:innen in den Einrichtungen und die Wissenschaftlerinnen aus dem Reallabor entwickeln gemeinsam innovative Bildungskonzepte. Jede Disziplin bringt dabei ihre jeweilige Expertise ein. Diese Konzepte erproben und evaluieren wir dann. Was gut ist, versuchen wir mit Unterstützung von Partner:innen, Politik und Verwaltung in die Breite zu bringen, was noch nicht läuft, verwerfen wir oder passen es an. Aktuell läuft die Bewerbungsphase. Wir freuen uns also über alle Kitas und Grundschulen aus Heilbronn und dem Landkreis, die gemeinsam mit uns zur Zukunftskita/Zukunftsgrundschule werden wollen.  

Individuelle Konzepte für verschiedene Standorte

Gibt es schon konkrete neue Konzepte, die ab dem Sommer in den Kita- und Grundschulalltag einfließen werden?
Das besondere an der Initiative Zukunftsbildung ist, dass wir die innovativen Konzepte gemeinsam mit den pädagogischen Fach- und Lehrkräften und den Wissenschaftler:innen vor Ort entwickeln. Das bedeutet: Wir schauen uns ganz individuell die Bedürfnisse jeder Region und jeder Einrichtung an und bringen diese mit den Zukunftskompetenzen zusammen, die wir in unserer Vision definiert haben. Daraus leiten wir dann die Themen ab, für die wir Konzepte entwickeln.  

Die Bildungslandschaft in Deutschland ist ja berühmt-berüchtigt für das föderale System, in dem jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht. Wie funktioniert da die Eröffnung weiterer Reallabore in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg und NRW, für die Heilbronn ja wissenschaftliche Ausrichtung koordiniert?
Wir arbeiten mit dem, was wir in der jeweiligen Region vorfinden. Deshalb wird die IZB auch an jedem Standort ein Büro haben, wo Menschen, die die Region gut kennen, für und mit der IZB arbeiten. Wir stehen in engem Austausch mit den jeweiligen Kommunen und Bundesländern, um überall passgenau agieren zu können. Diese Unterschiedlichkeit bietet für uns auch eine große Chance, dass die Standorte voneinander lernen können.  

Wie das Bildungssystem zukunftsfähig werden soll

Neben Forschung und neuen Ansätzen: Welche Rolle spielt Geld für eine zukunftsfähige Bildung? Seit der Bundestagswahl sind Sondervermögen und große Investitionen wieder in aller Munde.
Die kommenden Milliarden aus dem Sondervermögen für Bildung bieten eine enorme Chance. Doch um mit diesem Geld eine Veränderung zu bewirken, muss zunächst klar werden: Was soll anders sein, wenn dieses Geld ausgegeben ist? Ich wünsche mir, dass wir nicht nur an neue Räume und Tablets denken, sondern die Investitionen konsequent von den Kindern aus zu planen. Dafür müssen wir wissen, in welcher Welt unsere Kinder in den kommenden Jahrzehnten leben werden und welche Bildung sie brauchen, um fit für die Herausforderungen der Zukunft zu sein. Damit einher geht natürlich auch die Frage: Welche Kompetenzen brauchen die pädagogischen Fach- und Lehrkräfte, um die Lernenden datengestützt und passgenau dabei zu unterstützen – und wie kommen sie dazu? Wenn wir ein Bild von gelingender Bildung beschreiben können, können wir zielgerichteter sagen, welche Maßnahmen dafür notwendig sind.

Haben Sie eine konkrete Vision für die Zukunft der Bildung? Was soll in fünf, zehn oder zwanzig Jahren der größte Unterschied zu heute sein?
Ich wünsche mir ein Bildungssystem, das den Herausforderungen unserer Zeit gerecht wird UND zukunftsfähig ist. Mein Wunsch ist, dass Bildung vom Kind aus gedacht wird. Wir sollten den Wandel als Chance begreifen und gemeinsam daran arbeiten, Chancengerechtigkeit zu schaffen. So können wir eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft schaffen, in der jeder die Möglichkeit hat, sein volles Potenzial zu entfalten.

Interview: Florian Deckert

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